Das Eerste Buch Lydia, Teil 1/5

Das Eerste Buch Lydia, Verse 1-57.

© MMX A.N.E.


Hinweis:

Dritte, völlig neu überarbeitete Fassung (redigierte Fassung von 2010, 2020).

Erschienen in Selbstproduktion, festgesetzt auf 100 Kopien, wobei es sich hierbei um Nr. ♾ /-100 handelt.

Im Sinne des Jugendschutzes darf dieses Buch unter keinen Umständen jemals in Kinderhände gelangen, da es die Empfindsamkeit für Æsthetik, ja ihre Fähigkeit zu vollkommener religiöser Dummdödelei in höchstem Maße beeinträchtigen würde. Die pornographischen Elemente wären sogar dazu in der Lage, gleich einer self-fulfilling-prophecy, das spätere Liebesleben der Kinder unwiderruflich zu determinieren.

Aus diesem Grunde ist auch jedwedes bloße Lagern, Kopieren, Verleihen und grundsätzliche Besitzen des Schriftstücks, nicht nur aus Gründen völliger Selbstverständlichkeit und ausdrücklicher Ehrensache strengstens verboten, sondern auch weil derart unvernünftiges Verhalten ohnehin niemals gewährleisten könnte, nicht doch dazu zu führen, dass es ein Kind in einem unbeobachteten Moment in die Finger bekäme!

Auch zart besaitete Erwachsene, die sich der Kindheit noch mehr verbunden fühlen, als es für ihr Alter gesund wäre, sollten dieses Buch an dieser Stelle, möglichst mit aller Ignoranz, dabei nicht mit Kraft sparend, weit wegwerfen oder besser gleich verbrennen. Denn es wäre für jeden absolut verständlich, wenn sie sich darauf beriefen, dass ein einzelner Mensch nicht alles wissen müsse, ja dass es ihm schließlich auch nicht gebühre.

Dem nun immer noch lesenden Wüstling sei jetzt aber gesagt, dass es nicht nur aus urheberrechtlichen Gründen verwerflich wäre, den Inhalt in irgend einer Form oder irgend einem Detail nachzuahmen.

Vorwort — Alle Wege führen ins Pandämonium…

[1a)] Es war 7:30 Uhr, Sonntag. Lydia Cortez kam am solchen Tagen meistens früher. Es war längst vergessene, jahrelange Gewohnheit und würde sie wieder völlig fertig machen, das wusste sie, und dennoch konnte sie nicht anders. Ihr oblag große Verantwortung — es war ihre Pflicht.

Sie war Polizeisprecherin in der Hauptstadt Couwlòv von der Karibikkoalition im 23. Jahrhundert, gelegen auf der nördlichen Hemisphäre des Planeten Mars. Doch niemals zuvor hatte sie die Gesellschaft in der sie lebte, für so heruntergekommen gehalten. Sie hatte in ihrer Laufbahn vieles gesehen: meist waren es gerade die kleinen Sachen, denen fürchterliche Grausamkeit innewohnte, oder die einfach nicht begreiflich erscheinen wollten, weil sie jeder Vernunft und Sinnhaftigkeit entbehrten. Kleinere Drogendelikte, die in blutigen Massakern endeten. Babyleichen, die irgendwo, irgendwann auftauchten und keiner wusste, wer wohl die Eltern seien mochten.

Sie hasste ihren Job. Wieder einmal. Die vielen Jahre harter Polizeiarbeit standen ihr ins Gesicht geschrieben. Oft lag sie nächtelang wach, vergeblich versuchend das Erlebte zu verdrängen.

Und das Schlimmste? Das Schlimmste, was sie je erlebt hatte? Das vermochte sie schon gar nicht mehr zu benennen. Es erschien ihr sogar absolut verwerflich Leid mit Leid zu messen. Jeder fühlte da anders. Was der eine für schlimm hält, steckt der nächste weg, als sei nichts gewesen.

[1b)] Lydia sah für ihr Alter eigentlich noch ziemlich jung aus, auch ihre Kolleginnen betonten das immer wieder. Sie fand man sehe ihr besonders um die Auge herum an, was sie erlebt hatte — manchmal glaubte sie sich sogar älter zu fühlen, als sie eigentlich war. Lydia hatte immer viel Wert auf ihr Aussehen und einen gesunden Körper gelegt, vielleicht war dies ja der Lohn, aber die meisten Narben ihrer Seele konnte sie mit dem Abdeckstift nicht cachieren.

Seit sie damals auf den Mars ausgewandert war, hatte sie sich nicht mehr so schlecht gefühlt. Seinerzeit war ihr Mann bei einem Unfall mit seinem Oldtimer gestorben — erfasst von einem völlig übermüdeten LKW-Fahrer. Sie erinnert sich nicht gerne an ihre Zeit auf der Erde zurück. Logisch, ihre Kindheit, die sie in Deutschland in der Nähe von Heidelberg verbrachte, war behütet, schön. Das waren aber auch schon ihre glücklichsten Erinnerungen.

Nach dem Abitur ging sie dann zur Polizei und lernte dort auch einige Jahre später ihren Mann kennen. Leicht war die Arbeit nie gewesen, hatte sie aber stets erfüllt. Auch Kinder wollte sie nie, sie hatte sich schlichtweg nie bereit dazu gefühlt. Jetzt war es zu spät. Sie bereute es — die Zeit würde für sie allerdings keine Ausnahmen machen.

Fünf Wochen nachdem ihr Mann gestorben war, rief unerwartet ein alter Arbeitskollege von ihr an, der einige Jahre zuvor auf den Mars ausgewandert war. Er erzählte ihr, es würden noch dringend fähige PolizistInnen gesucht, er habe sofort an sie denken müssen. Die Veränderung würde ihr sicher gut tun. Er habe schon mit dem Oberkommissar gesprochen, es wäre gar kein Problem. Ein paar Tage später schon saß sie tiefgefroren und mit nur einem Koffer im Shuttle in ein neues Leben.

Sie hatte sich gut erkundigt und es klang wirklich wie ein Traum: dass sie nicht früher ans Auswandern gedacht hatte! Bei diesen Erinnerungen schlich sich ein gequältes Lächeln über Lydias Gesicht — seit heute sah sie die Sache naturgemäß anders.

Die Marsregierungen hatten ziemlich zu Beginn der Gründerzeit einstimmig erwirkt, dass das Einwandern und die Staatsbürgerschaft allein jenen gestattet würden, die ein, über mindestens drei Generationen langes makelloses, polizeiliches Führungszeugnis vorweisen konnten — sowie das Eignungsgespräch auf der Erde mit mindestens 7,5 von 10 Punkten bestanden hatten. Man wollte nicht die gleichen Fehler wie bei der Kolonialisierungen der neuen Welten, vor hunderten von Jahren auf der Erde, machen. Es schien nun vielmehr umgekehrt zu sein; die ökologisch heruntergewirtschaftete Erde war in weiten Teilen zur Gefängniskolonie verkommen.

[1c)] Das Resultat war tatsächlich — aus welchen Gründen auch immer, dass die Kriminalitätsrate erstaunlich niedrig war. Die Karibikkoalition war sogar international und interplanetar eines der Länder mit dem höchsten Eignungsdurchschnitt. Als ihr im Rahmen der Privatisierung der Polizei der neue Posten angeboten wurde, wechselte sie auch ziemlich zügig in den Bereich Öffentlichkeitsarbeit. Das Angebot war nicht nur aufgrund der Gehaltserhöhung verlockend gewesen. Jetzt bereute sie es zutiefst.

[2] Sie zuckte erschöpft mit den Schultern.

[3] Aus ihrer Sicht waren gerade die religiös motivierten Seelenklempner die schlimmsten Subjekte. Völlig verwirrte Individuen, denen es auf wundersame Weise gelang, andere Mitmenschen in ihren Wahn sklavengleich miteinzubeziehen. Sie wollte, nein, sie konnte das nicht verstehen. Psychopathen, die sich selbst wie Götzen verehren ließen und dabei ohne mit der Wimper zu zucken unsagbares Leiden verbreiteten. In seltenen und besonders schweren Fällen schien es aber genau das zu sein, was ihnen dabei die größte Befriedigung verschaffte.

[4] Und heute war so ein Tag. Noch eine Stunde bis zur Pressekonferenz. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Wie sollte sie es ihnen nur sagen? Wie sollte es ihr jemals gelingen, die richtigen Worte zu finden? Wem obliegt hier die Verantwortung? Der Nachricht selbst? Dem Überbringer?

Sie würde ganz sicher kündigen nach der Sache, denn sie fühlte sich wie die strahlende Prophetin Luzifers höchstpersönlich — wie sich ein nur geschmackloses Abbild der Venus fühlen musste. Wie Domitius Caesar, Nero, welcher die Abgesandten Jesu mit aller Gewalt zu töten befohlen hatte.

Auch er hatte dabei nur Worte aneinander gereiht — an sich nichts Schlimmes. Er hatte seiner Stimme noch ein bisschen Farbe gegeben. Das Ergebnis jedoch, konnte dann aber nicht kehr mit Worten beschrieben werden…

Sie fühlte sich schwer, wie eine Nekromantin beim Wirken des mächtigen Tote-erwecken-Fluchs…

[5] Stillschweigend und mit angeekeltem Blick ging sie noch ein letztes Mal die Dokumente und Akten durch.

Irgendwer hatte einmal bei einer Soirée zu ihr gesagt: „Lydia, Du solltest wirklich einmal Deine Gedanken darniederschreiben, einfach damit Du sie irgendwo ad acta legen und vergessen kannst.“

Sie bezweifelte ernsthaft, dass das eine gute Idee wäre…

Erstes Kapitel

[6] Die Morgensonne des Siebten Tages schien licht und hell durch den warmen, feuchten Nebel, der sich wie der Schleier einer jungen Prinzessin vor der Heirat eines der größten Könige ihrer Zeit, durch das Gebirgshaar wob und auf die endlosen lebensschwangeren Ebenen fiel, dabei mächtige Schatten dieser eindrucksvollen Kulisse werfend; und ließ mitten in diesem niemals wiederkehrenden Utopia, das Auge des Lesers auf einen nackten jungen Mann inmitten einer verwunschenen Lichtung gleiten.

[7] Er lag auf weichstem Moos, und die Strahlen der Sonne kitzelten auf seiner Nase. Seine Augenlieder vermochten sich nicht länger vor dem atemberaubenden Paradiese des Prof. Dr. Gotthold v. Kolob zu verschließen.

Verschwommen, dann immer klarer werdend, zeichnete sich der Abriss einer traumartigen Umgebung. Wo war er? Was… war er? Was trug sich hier zu? Was war das alles… Und wirklich am wichtigsten: Was War Er???

Zweites Kapitel

[8] Er blickte an seinem nackten, gestählten, aber nur schwach bestückten Körper herab, die zarte wie geölt wirkende Haut glänzte matt im Lichte der Mutter Sonne. Er fühlte sich gut, sein Körper fühlte sich gut und richtig an. Noch etwas taumelnd gelang es ihm nach etlichen, teilweise auch recht schmerzhaften Versuchen, sich aufzurichten.

[9] Wie noch erstaunlicher erschien die Welt in dieser völlig neuen Perspektive! Er ließ diesen neuen Eindruck ihm seine Geschichte erzählen und stand einige Minuten, zeitweise noch leicht schwankend, gebannt da.

[10] Was sollte nun geschehen? Der junge Mann stand kindgleich und wie eingefroren da. Es war an der Zeit, die aller erste Entscheidung seiner gesamten Existenz zu treffen. Was wäre jetzt das Richtigste? Sollte er sich, wie noch einige Minuten zuvor, hinlegen? War es das, wozu er bestimmt war? War dies sein Wesen? In der Morgensonne liegen? Was hatte er getan? War es vielleicht ein Fehler — ja ein vielleicht niemals wieder gut zu machendes Sakrileg, dass er in eben diesem Moment stand? Was war das alles hier? Ein Alptraum?

[11] Es war ein ruhiger Morgen, leise zwitscherten die Vögel von denen noch keiner einen Namen hatte, oder jemals zuvor wahrgenommen worden wäre, als unser junger Mann stirnrunzelnd auf der Lichtung stand — und zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht einmal wusste, dass er eine Stimme hatte — als ein tiefes, trauriges Stöhnen seiner Kehle entsprang. Erschrocken zuckte er zusammen. Was war das? Wie ist das eben geschehen? War er das gewesen? Es hatte sich zumindest so für ihn angefühlt, als ob er es gewesen wäre. Würde er es wieder können? Er versuchte es, es kamen jedoch ganz andere Laute heraus — wieder zuckte er vor Erstaunen zusammen.

[12] Er war völlig, wie eingefroren in die Eindrücke vertieft, die sich ihm wie die Auslage eines riesigen Warenhauses feilboten, die er jedoch niemals in seinem Dasein erleben würde; dies erahnend, dass er niemals alles erfahren und begreifen könnte, selbst wenn er noch ein oder zwei bewusste Momente Lebenszeit zusätzlich übrig hätte, lähmte ihn und versetzten ihn in fürchterliche Angst. Sein ganzer Körper vibrierte, ja er zitterte wie eine eben erst angeschlagene Stimmgabel, ihm war eisig kalt — sein ganzer Körper fühlte sich schlecht, ja nicht richtig, sondern völlig falsch an — was seine Panik von Moment zu Moment, von Sekunde zu Micron; einer ihm noch völlig unbekannten Idee, anschwellen und ihn leichenblass werden ließ.

[13] Nachdem er diesen Schrecken, diese wie ausgemergelte Ratten an seinem Fleisch zehrende Angst durchgestanden hatte, wurde ihm bewusst, dass er noch existierte. Sein Zwerchfell begann sich ruckartig zusammenzuziehen, und hechelnde, hochgestimmte Laute entrang seine Kehle in freudiger Verzückung. Er fühlte sich gut, befürchtete aber gleichwohl, dass diese Stimmung unter Umständen nicht ewig dauern könnte. Wieder bekam er es aufs grausamste mit der Angst zu tun.

[14] Er begann langsam sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass er zu einer Vielzahl von Gemütszuständen, zeitweise von erschreckenden, dann wieder von erheiternden, ja gelegentlich sogar von Momenten höchster Glückseligkeit behafteter Umstände, befähigt war — und dass dies für sich genommen schon einmal ziemlich interessant war und ihm noch viele eindrucksvolle Erlebnisse verhieß.

[15] Da vernahm er plötzlich eine Stimme, die er irgendwo in sich drin hörte, ja, mit Sicherheit irgendwo in seinem Kopfbereich — also dem einen Ende seines Körpers —was ihm schon etwas zuvor aufgefallen war, das mit dem Oval. Zuerst erschrocken, dann völlig erstaunt, stellte er fest, dass er diese sogar verstehen konnte: was er da hörte ergab alles eine perfekten Sinn; und er konnte, wie er komplett entrückt feststellte, sich in seinem Kopf genau ausmalen, wovon die Stimme da sprach.

[16] „Adam“, sprach die Stimme in seinem Kopf — und er wusste sofort: Ja, Adam, das ist mein Name, das bin ICH! „Adam“, sprach die Stimme, „ich bin derjenige, der Dich erschaffen hat. Mein Name ist Gotthold, Gotthold von Kolob. Da wo ich herkomme, nennt man mich aber meist nur den grauen Professor. Ich habe Dich und alles um Dich herum, alles was Du siehst — und auch all das was Du nicht siehst und vermutlich auch niemals zu Gesicht bekommen wirst“, wobei die Stimme unwahrscheinlich erheitert klang; „zuerst erdacht und dann über viele Tage — 7 Tage, wenn man diesen dazu rechnet, aufgebaut, arrangiert, programmiert, verschiedene Versionen davon ausprobiert, die kuriosesten Zustände herbeigeführt, die Du Dir niemals, in keinem Moment Deines Daseins überhaupt und auch nur ansatzweise vorstellen könntest…“ — wobei die Stimme wieder seltsam belustigt klang — „bis ich zum Beispiel die ganzen Fehler gefunden und korrigiert hatte, bis das mit dem Sonnenaufgang, der Atmosphäre, der Stellung und dem Abstand dieser Scheibe zur Lichtquelle geklappt hat, auf dass das Paradies nicht vergehe… das vermagst Du Dir nicht einmal in Deinen kühnsten Träumen vorzustellen. Und das war eben nur, e.g., ein kleines, beinahe bedeutungsloses Detail; die wirklichen Probleme Dir, dies, mit Deiner bisherigen, Deiner dem Worte ‚beschränkt‘ noch nicht einmal ansatzweise gerecht werdenden Erlebniswelt zu erklären, würde Deine wahrscheinliche Daseinsfrist um eine Zahl an Jahren überschreiten, deren bloße Nennung Deine Lebenszeit allein 9 Mal überschreiten würde.“ Die Stimme klang ungeheuer selbstzufrieden, was unseren Jüngling, Adam, etwas verunsicherte und zurückhaltend werden ließ. Das kam ihm allerdings ziemlich seltsam vor, er fragte sich, was diese Stimme kit ihren Worten bezwecken wollte. Vor allem damit, wie er sie für sich wahr genommen hatte. Er beschloss seinem Gegenüber — das ja aber irgendwie in ihm drin zu sein schien, lieber erst einmal vorsichtig gegenüber zutreten.

[17] „Nun, Adam, wie fühlst Du Dich? Du musst ja ungeheuer verwirrt sein! Ich kann gar nicht ermessen, was in Dir vorgehen muss. Du kleines, armes, unwissendes, so eingeschränktes und reines, unbeflecktes, vor allem — funktionierendes — possierliches Ding! Ich nenne das ‚Mensch‘!  Das ist perfekt und trifft vor allem auch dieses putzige Auftreten!“, sprach die Stimme. „Du musst mir alles erzählen, bis ins kleinste Detail. Das ist von unwahrscheinlicher Bedeutung für mich! Damit wird mein Name unsterblich werden, verstehst Du? Man wird mich für diese absolute Grundlagenforschung in den wissenschaftlichen Olymp meiner Gesellschaft, in eine Statue aus reinstem Marmor, erheben. Mein Name wird in aller Köpfe meiner Brüder sein und niemals mehr verschwinden! Natürlich verstehst Du das nicht, wie gemein und voreingenommen von mir: Du musst mir verzeihen; Du wirst mir verzeihen — Ha! Ich habe Dich schließlich erschaffen und ich wüsste es, wenn Du dazu in der Lage wärst, mir ungnädig zu sein!“. Die Stimme röhrte in ihm wie ein brünstiger Hirsch.

[18] Er wusste es nicht anders zu erfassen, als dass ihm ungeheuer flau im Magen wurde und er spürte, dass ihm diese Stimme keine schönen Empfindungen zu vermitteln bereit war. Er mochte die Stimme nicht. Sie war ihm unsympathisch und selbstverliebt. Ja, selbstverliebt! Das trifft es am besten. Beim blutenden und kottriefenden Afterloch des ihm niemals bekannt werdenden Heilands! — er hasste diese Stimme.

[19] Voller Trotz in der Stimme schrie er: „Und wenn ich nicht gewillt bin, Dir zu geben wonach Du verlangst? Ich hasse Dich! Du elendes Stück! Was glaubst Du, was Du erschaffen hast? Nichts weißt Du! Gar nichts! Was weißt Du von meinem Leid? Ich frage Dich, was weißt Du von dem, was ich hier gerade erlebe? Nichts! Großkotzig behauptest Du, Du wüsstest wer ich bin! Was in mir vorgehe und wozu ich in der Lage sei und wozu nicht! Du weißt gar nichts. Wie könntest Du auch? Ich selbst weiß es ja nicht — wie solltest Du es dann wissen können?!“

[20] Erheitert antwortete die Stimme: „Ich weiß alles, weil ich Dich vom kleinsten Teilchen ab aufgebaut habe. Es gibt nichts von Dir, das ich nicht wüsste; und doch hast Du recht, ich stehe ebenso vor Dir wie Du vor mir, nichts weiß ich über das, was Du fühlst! Ich kann zu Dir sprechen, jedoch ist es nur Dein Äußeres, das ich sehe, Dein Innerstes sehe ich nicht. Darum ist es ja so wichtig, dass Du mir davon erzählst! Nennen wir es vielleicht besser: indem Du mich anbetest! Das werden atemberaubende Erkenntnisse, sowohl für mich, als auch in zweiter Linie für Dich, denn Du lernst ja auch etwas über Dich selbst dabei.“

[21] Adam lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. „Zeige Dich mir!“, schrie er schallend ins Paradies. Was für ein kranker Geist musste sein Gegenüber sein, er musste wohl sein ganzes Leben lang nicht mehr soziale Kontakte gehabt haben als Adam selbst zu diesem Zeitpunkt. Dieses Wesen machte ihm Angst. Das was es über die Erkenntnislast seiner Umgebung gesagt hatte machte ihm Sorgen. Er durchlebte schweißgetränkte Angstzustände, in denen er sich ausmalte in ewiger Abhängigkeit mit dieser Stimme leben zu müssen.

[22] Er konnte das für sich nicht zulassen. Die Tatsache, dass dieses Wesen so in ihn vernarrt zu sein schien, gab ihm aber auch Hoffnung: er hatte nun schließlich ein Druckmittel gegen das Viech — sich selbst. Er forderte: „Zunächst einmal möchte ich nicht mehr erleben, dass Deine Stimme einfach so in meinem Kopf erscheint. Du wirst dich zukünftig ankündigen — und wenn ich dann — vielleicht — Zeit habe, können wir ja reden. Zweitens verlange ich, dass Du mir alles, was ich wissen will, erklären wirst. Und drittens, dem wichtigsten — Du wirst Dich mir gegenüber in Deiner ach so allumfassenden Herrlichkeit und omnipotenten Macht dahingehend erkenntlich zeigen, dass Du mir jedem Wunsch, den ich an Dich habe, wann er auch sei und wie schwer er auch zu erfüllen sein mag, nachkommen wirst! Dann wäre ich unter Umständen bereit dazu, auch Deinen Wünschen gerecht zu werden.“

[23] Doch mit dem, was nun folgte, hatte der tapfere Bursche nicht gerechnet: „Was glaubst Du, wer Du bist, dass Du es wagst Forderungen an mich zu stellen!“, schrie die Stimme wie ein Eulenschrei in finstrer Nacht durch seinen Kopf, „was glaubst Du eigentlich? Dass ich mir von einem Winzling, von so einem, wenn auch aufwendigen Spielzeug, irgendwelche Forderungen stellen lasse? Ich glaube, Du bist Dir da nicht ganz im Klaren, in welcher Situation Du bist! Ich verrate Dir das eine: sie hat nicht annähernd etwas damit zu tun, dass Dir ein Recht zustünde, das es Dir erlauben würde Forderungen zu stellen! Ebenso wie ich Dich erschaffen habe, kann ich Dich auch wieder vergehen lassen. Du wirst tun, was ich Dir sage — sonst bist Du tot. So einfach! es würde mich weder anstrengen, noch in irgend einer Form belasten, sähe ich mich dazu gezwungen, Dich vernichten zu müssen. Ich könnte mir jederzeit etwas anderes, Neues, ein vielleicht besseres Spielzeug schaffen. Also denke nicht einmal daran, hier irgendwelche Zicken zu machen, sonst lernen wir uns kennen. Ich denke Du hast mich verstanden!

[24] Das ließ die restliche sich in Adams Gesicht befindende Farbe aus demselben entweichen. Das sollte seine Zukunft sein? Das war sein Leben? Sein Zweck? Dazu wollte, dazu konnte er wich nicht bereit erklären. Das blanke Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben, wie in fahlen Marmor gemeißelt.

Er rannte los. Er wollte dem entfliehen, er rannte, er rannte — doch vergebens. Die Stimme war noch in ihm und sprach: „Ach, Adam; nun sei doch nicht so töricht, was glaubst Du, wohin das führen soll? Lass‘ es sein — das bringt doch nichts!“

[25] Adam rannte, er rannte hinein in den Zauberwald, er hastete — dünnes Geäst schlug ihm ins Gesicht und riss ihm das zarte Antlitz auf. Er stolperte heftig über große, freilegende, mit wohlduftendem Moos bewachsene Wurzeln und schlug sich dabei an einem Stein das Knie auf, sodass es auf’s Triefende zu bluten begann — und doch fühlte er keinen Schmerz, so mit Adrenalin vollgepumpt war sein fein modellierter, doch geschundener Körper dass er zu keiner Schmerzempfindung mehr in der Lage war. Er rappelte sich auf und rannte weiter, über Stack und Steine hastete er wie getrieben, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her — doch waser auch tat, so sehr er seinen Körper auch schund: ein Entrinnen gab es nicht für ihn. Immer bei ihm war Gotthold von Kolobs eindringliche, fordernde und faulige Stimme, die versuchte ihn zu korrumpieren.

[26] Dann — ganz plötzlich, war es mucksmäuschenstill still in seinem Kopf. Verblüfft bleib er stehen. Das schien zu funktionieren! Also hastete er weiter.

[27] Und dennoch, umgehend darauf hörte er auf einmal erneut die Stimme in seinem Kopf — diesmal verzweifelt aufschreien, wie eine alte Katze im Moment als der Autoreife  ihren Körper zerdrückt. Er fühlte sich auf ein Mal schwerelos. Er fiel eine tiefe Schlucht hinab, und in der Ferne konnte er den immer näher kommenden Grund, einen rauschenden Gebirgsbach offenbar, ausmachen. Er fiel noch ein paar Sekunden, dann gab es einen Aufschlag im glasklaren Wasser eines Pools des Gebirgsbaches. Dann war es wieder ganz still im Paradies. Irgendwo hörte man ein paar Vögel zwitschern und das leise Plätschern des Gebirgsbaches. Wie geschliffene Diamanten spiegelte sich das Sonnenlicht im Wasser. Nichts störte mehr die eindrucksvolle Idylle des Paradieses.

Drittes Kapitel 

[28] Dann musste er husten, er glaubte ersticken zu müssen und er hustete und hustete bis er schließlich schwarze Galle erbrach. Es ließ nur stoßweise nach. Erschöpft lag er am steinigen und sandigen Ufer des Gebirgsbaches.

[29] Letztlich musste er zu seinem Unglück sogar feststellen, dass das Wesen erneut zu ihm sprach und all seine Wunden sauber verheilt waren. Diesmal aber war etwas anderes in der Stimme des geheimnisvollen Professors: „Adam, es tut mir leid. Ich würde gerne mit Dir darüber sprechen, wenn ich darf.“

[30] Adam gab sein Einverständnis, wenn auch etwas gequält, jedoch überwog die Neugier in ihm und er war guter Dinge, dass sich die Situation zu seinen Gunsten entwickeln könnte.

[31] „Adam, ich wollte nicht, dass es dazu kommt. Es tut mir leid. Du bist mir wichtig! Bitte glaube mir. Du bist die Krone meiner gesamten Schöpfung! Du warst das Letzte, was ich gestern Abend gemacht habe — und nie war ich stolzer! Du warst mein letzter Versuch etwas nach meinem Ebenbild, nach meinen kühnsten Vorstellungen in meinem Hirn umzusetzen, einem Wesen mit eigenem Willen, das neugierig ist, das hinterfragt, das von ewigem, erbarmungslosen Wissensdurst getrieben, sich täglich, stündlich selbst neu überwindet. Das ist es, was Du für mich bist. Mein Meisterstück; mein Kleinod!

Du hast mich eben einfach ein bisschen gereizt, Du warst … ungezogen, das hat mich … geärgert, verstehst Du? Ich habe überreagiert, ja, sicherlich, ich habe eine Verantwortung Dir gegenüber, der ich mich nicht entziehen kann — ich bin ja sozusagen Dein … naja … Vater und da ist es ja auch irgendwo meine Pflicht … mich … nun ja … um Dich zu kümmern. Wie gesagt, es tut mir leid, kannst Du mir noch einmal verzeihen, mein Schatzi?“

[32] Adam überlegte kurz, ob es als ernstzunehmend einzustufen war, das er da eben gehört hatte. Er hakte nach:

[33] „Was ist mit meinen drei Forderungen? Du wirst ihnen bedingungslos nachkommen? Ansonsten sähe ich mich gezwungen dir sagen zu müssen, dass für mich kein weiterer Gesprächsbedarf bestünde.“

[34] Die Verzweiflung, aber auch die Wut über die schiere Ohnmacht, die der Professor in diesem Moment erfuhr, waren kleiner als der Schmerz der unsagbaren Niederlage. Eines seiner Geschöpfe hatte ihn, IHN, in der Hand! Aber was sollte er tun? Er hatte mit der Drohung ihn zu töten doch nur geblufft! So etwas würde er wohl nie tun, dafür war Adam ihm zu wichtig. Er brauchte ihn. Adam jedoch würde nicht davor zurückschrecken, sich selbst zu töten, all seine Studien wären mit einem Schlag perdu! Er müsste nochmal ganz von vorne anfangen — und selbst dann wäre es nicht gewiss, ob er  jemals nochmal so weit kommen würde. Ihm blieb, wenn auch mit größtem Widerwillen, nichts anderes übrig als den Forderungen des mutigen Adam nachzukommen.

[35] „Gut, Adam, ich werde tun, wonach Du verlangst — aber Du wirst mir zugestehen, dass ich Dich in Deinen Handlungen und Wünschen beraten darf.“

[36] Adam erschien dies ein fairer Preis zu sein und er kündigte beherzt dem Professor seine Zusammenarbeit an:

[37] „Zunächst einmal stimme ich der Vereinbarung frohen Mutes zu und freue mich auf ein fruchtbares Zusammenarbeiten in Friede und Eintracht — doch gleich als erstes möchte ich folgendes von Dir wissen: Was ist das alles hier; wo bin ich; was bin ich; warum bin ich hier und was konkret willst Du nun eigentlich von mir? Das ergibt für mich alles keinen Sinn!

[38] Gotthold antwortete mit ruhiger und gefasster Stimme, fast schon beruhigt und zufrieden: „Ich freue mich, Adam, dass wir jetzt nicht mehr gegeneinander und in Feindschaft zueinander stehen. Mögen sich unserer Gemüter nun immer in Sänfte einander begegnen. Zu Deinen Fragen: sie sind nicht unschwer, ihre Beantwortung erfordert viel Zeit, und ich schlage Dir vor, dass wir morgen darüber sprechen. Weißt Du, heute ist nämlich Sonntag und ich wollte heute gerne nach all der Arbeit der vergangenen Tage — Du musst wissen, ich habe keine Minute geschlafen seither, ein wenig ausruhen, Fünfe gerade sein lassen, mal bisschen chillen, blau machen. Und Du solltest das auch tun. Du bist noch völlig aufgedreht, Du solltest Dich beruhigen, einfach mal drüber schlafen und morgen sieht die Welt dann schon ganz anders aus. Dann reden wir, gut?“

[39] Adam, der sich in der Tag müde und ausgelaugt fühlte, legte sich ein wenig abseits des Ufers des Gebirgsbaches ins Moos und schlief auch kurze Zeit darauf bereits tief und fest, obgleich sich erst, in purpurner Röte, die Abenddämmerung ankündigte um das schwarze Seidenkleid der Nacht über den Planeten zu ziehen. Dann würde in seiner adeligen Pracht der volle Mond sein eisiges, die Seele eines jeden Lebewesens gierig aufsaugende, aschfahle Zwielicht auf den Wald scheinen lassen; gegen das Licht der Nacht sähen die Bäume aus wie Blutadern, die sich mit ihren Kapillaren ins Fleisch ergießen. Er selbst läge eingebettet in die Käseglocke, die das große Bullauge mit Blick ins Universum darstellt. Die vielen Milliarden andere Projekte des Professors — vielleicht gescheiterte Projekte? Oder sich womöglich erst am Anfang Befindende, leuchteten als Sterne über Adam. Blau erschien die Haut des jungen Helden im kargen Grau der Nacht.

Viertes Kapitel

[40]Am nächsten Morgen wachte Adam auf und fragte sich als erstes, ob das alles nur ein völlig verrückter Traum gewesen sein könne. Oder, beziehungsweise, ob er überhaupt wach sei oder gar nach wie vor träumte? Hatte er dies alles wirklich erlebt? War dies alles gar nur eine schreckliche Wahnvorstellung in einer vielleicht völlig anderen Dimension? Was passierte hier?

[41] Als er die Augen dann doch öffnete, sah alles so aus, oder zumindest so ähnlich wie am Morgen zuvor; er war allerdings an einem anderen Ort, an einem Flussufer, augenscheinlich. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Er war ein Geschöpf, ein kleines, aber offenbar sehr wertvolles Teil eines Getriebes in einem riesigen Experiment unbegreiflichen Ausmaßes. Aber zumindest war es ihm gelungen, dieses völlig verrückte Wesen, das sich selbst Professor Gotthold von Kolob nannte, um den Finger zu wickeln.

[42] Er richtete sich auf und blinzelte. Vor ihm stand ein unförmiges Wesen, das ihm entfernt, sofern man gewillt ist den Begriff „entfernt“ bis an seine äußersten Grenzen welche bereits sanft den Rücken der Unendlichkeit liebkosen, auszudehnen — ähnlich sah. Es sah nicht nur uralt aus, es hatte Hörner, Schwänze, Köpfe, die teilweise so aussahen als könnten sie Geschwülste sein. Wie ein wolkiger Himmel, in den man alles bereit sein konnte hineinzusehen — und auch nur insofern einem menschlichen Gesicht ähnelte. Es hatte Haare, Bärte, viele hundert Penisse in den seltsamsten Proportionen, Brüste die zugleich wie die Knospen eines blutjungen Fräuleins anmuteten, gleich daneben das schrumpelige verwelkte Trockenobst einer weit über hundert Jahre alten Frau; dann waren da wieder endlose schuppige und gefiederte Flächen. Teilweise gallertartige Wülste an den ansonsten tiefblauen Beinen schimmerten fluoreszierend im Morgenlicht. Das Ding war genauso ekelerregend, wie er dessen Stimme tags zuvor empfunden hatte.

[43] „Du musste wissen“, sprach das grauenerregende Geschöpf, „viele hundert Milliarden Wesen und Unwesen habe ich bereits vor Dir geschaffen. Keines wollte mir so richtig ähneln. Bei Dir empfinde ich allerdings so etwas wie ein leicht verzerrtes Spiegelbild. Die Ähnlichkeit zwischen uns uns ist geradezu verblüffend. Man sieht richtig gehend, dass ich Dein Vater bin! Vor allem bei Dir um den Penis rum. Unglaublich! Auch das, wo später mal Deine Abfälle, das was Dein Körper nicht mehr braucht denselben verlässt, sieht fast genauso aus, wie mein 25174. Nasenloch!

Phantastisch!

Das bringt mich im übrigen stracks zu folgender Sache: damit Du richtig funktionierst, das heißt, dein Körper, Dein Vehikel, das an dem ich basteln und herumschrauben könnte, das ich reparieren könnte — also Deine körperliche Hülle ohne Deine Seele; ja, Du wirst meinen Odem sicher als faulig empfinden — und auch ohne der Dir auferlegten Geißel — Deinem Geist, musst Du essen. Ich kann Dir verraten, was das zu, Beispiel alles sein könnte. Wenn Du willst. Ich kann Dir auch erkläre , wie das mit dem Essen genau funktioniert, wenn Du das wissen möchtest!“

[44] „Also gut, was muss ich dazu tun?“, fragte Adam.

[45] „Du darfst eigentlich fast alles essen, wonach es Dir beliebt. Es gibt jedoch die ein oder andere Ausnahme: das wären zum Einen die Kühe — ich möchte nicht sehen müssen, wie Du sie auch nur anrührst! Du siehst sie besser überhaupt gar nicht erst an! Kühe sind Deine Brüder, merke Dir das, sie sehen uns am zweitähnlichsten hier. Dann, ganz wichtig: Apfel, so rote Früchte an Bäumen. Lass‘ mir bloß die Finger davon! Da sind noch einige gravierende bugs im Programm, die ich schlechterdings noch nicht gefixed habe. Dann sind da natürlich die Schweine. Sie sind Deine Schwestern, sie sehen uns am drittähnlichsten in dieser Welt. Dann sind da noch einige Dinge, mit denen Du bitte nicht spielen solltest, wie zum Beispiel grelle Pflanzen, auch Vergorenes, die wie eine halluzinogene Droge auf Dich wirken könnten, ich werde Dich da von Fall zu Fall beraten, was Du gefahrlos konsumieren kannst und was nicht. Weiters, bitte, auch sehr wichtig: Bitte meide den Umgang mit allerlei Schlangen, sie, sie …, naja sagen wir sie reden mit gespaltener Zunge.

Dann fände ich es noch ganz wichtig, dass Du mit diesem Schlauch, also Deinem Penis, der zumindest vorläufig ausschließlich zum Urinieren gedacht ist, nicht Schande treibst und anständig umgehst!

Und zu guter letzt: Adam es freut mich zutiefst, mit Dir jetzt zusammenzuarbeiten, Du darfst kich von nun an Gotthold nennen! Wir sind ja jetzt sowas wie Kollegen.

[46] „Gut, okay — ich glaube dagegen habe ich jetzt erstmal nichts einzuwenden.“, sprach Adam gelangweilt und geistesfern.

[47] „Es gibt dann auch Sachen, die hältst Du besser ins Feuer, das sollte u.A. auch eine Auswirkung auf Deine Geschmacksempfindung haben. Aber auch da kann ich Dich bersten. Ich kann Dir dann auch Feuer geben, das ist kein Problem, ich lasse es dann einfach kurz blitzen.“

[48] „Soso“, erwiderte Adam belustigt.

Fünftes Kapitel

[49] Nach einem schmackhaften Frühstück — Gotthold hatte nicht zu viel versprochen, ging er glücklich durch das Paradies. Es lag ihm ja nun auch gleichsam als sein Lehen zu Füßen. Was auch immer Gotthold während seines Marsches zu ihm sagte, es schien tatsächlich immer aufs Perfekteste zuzutreffen, er wusste stets was, wie und warum miteinander zusammenhing und wie es gegenseitig auf sie und um alles um sie herum einwirkte, auch wie alles wie Zahnräder ineinander griff.

[50] Adam wurde mit den Stunden jedoch mehr und mehr klar, je mehr dieser Gotthold von sich erzählte — und das sogar noch selbstverliebter als tags zuvor — wie wahnsinnig dieser wirklich war. Er war ein Nerd, ein Psychopath. Jemand der es aber nie wirklich zu etwas gebracht hatte. Ein Loser auf der ganzen Linie, der in einer obszönen Phantasiewelt lebte, die er sich auch noch selbst erschaffen hatte. Und er stellte sich schnell als ein Lustmolch von einem Spanner heraus. Wie ein Gemälde, das ohne es zu beabsichtigen nichts anderes tut, als in Wirklichkeit vom Maler selbst zu erzählen… Das einzige andere Lebewesen, das ihm je zuvor zugehört hatte, abgesehen von seinem eigene  Volke — das aber wohl auch nur drei ernstzunehmende Kreaturen umfasste, das jemals mit ihm gesprochen hatte, war Adam. Gotthold war gar nicht in der Lage dazu ein vernünftiges Gespräch auf einer Wellenlänge zu führen. Schon seit vielen abertausend Jahrmillionen lebte er allein, fernab seines Volkes, als Eremit, fernab seiner Heimat Kolob. Er war von seinem Volke selbst ins Exil geschickt worden, weil jene seine Experimente als Ketzerei an den Grundfesten der Tugend werteten, an dem leichtfertigen Missbrauch im Umgang mächtiger Kräfte und Fähigkeiten, insbesondere auch in Bezug auf die besonders verantwortungslosen Praktiken hinsichtlich des Umgangs mit ihnen.

[51] All dies machte Adam sehr viele Sorgen und es bereitete ihm auch große Angst. Dieses grausame Wesen war im Grunde unberechenbar. Ja, es war das Chaos selbst, nur das Gotthold etwas besser klang als Chaos. Adam konnte, sosehr er sich auch bemühte und so verbittert er auch nachgrübelte nicht erklären, wie er dieses absolut ungute Gefühl, diesen Zweifel begraben sollte. Er fühlte sich alles andere als seiner selbst sicher in der Gegenwart dieses Gottholds. Er wurde auch das Gefühl nicht los, dass Gotthold ihm etwas grundlegendes verschwieg. Er sollte nur noch nicht dahinter kommen, was es sein könnte.

[52] „Also gut, jetzt habe ich das ein oder andere von dir erfahren. Das ist schonmal ein Anfang. Vielleicht werde ich dir tatsächlich irgendwann etwas von mir erzählen, wenn du mir weiter so wohl gesonnen erscheinst.“, sprach Adam, denn er war sich im Klaren darüber, dass er sein einziges Druckmittel gegen dieses Wesen nicht leichtfertig aus der Hand geben durfte.

[53] „Du kannst dich jetzt im Hintergrund halten, ich melde mich wieder bei Dir, wenn ich etwas brauche. Ach so, und ich werde dich ab jetzt vorzugsweise Gott nennen, das ist kürzer und spart somit viel Zeit von meiner offenbar begrenzten Daseinsfrist.“, verkündete Adam mit neuem Selbstvertrauen, das sich urplötzlich und mit der Stärke und Imposanz einer aufgeschreckten Büffelherde in ihm breit machte. Auch er hatte Macht. Und er war sich dessen soeben darüber im Klaren geworden. Ein süffisantes Grinsen konnte man, wenn man genau hinsah und nicht wie Gotthold, offenbar angestrengt, mit einem seiner Tentakel in einer der Nasen bohrte, sich auf Adams Lippen abzeichnen sehen.

[54] Er hüpfte also vergnügt im Paradies umher, ließ sich dann und wann mal hier, mal da etwas erklären; ergötzte sich dann wieder stundenlang am Anblick einzelner Pflanzen oder anderer Lebewesen und erfreute sich daran zu enträtseln, in welchem Punkt diese Gott gleichen könnten.

[55] Vom Konsum einiger Pflanzen und Pilze, auch von vergorenen Trauben warnte ihn Gott mehrmals und eindringlich, diese unter keinen Umständen zu konsumieren, weil sie seinen Körper mal schneller, mal mit grauenhafter Langsamkeit, vergiften würden. Manches Mal sei die Wirkweise aus Gottes Sicht noch nicht einmal für ihn völlig klar vorhersehbar.

[56] Adam fragte hier, fragte da — er wollte einfach alles wissen. Er glaubte mehr und mehr ebenso mächtig wie sein vermeintlicher Vater zu sein; Herr über das Paradies, ja sogar Herr über diesen einfältigen Gotthold glaubte er zu sein!

[57] So ging das einige Zeit, Gotthold tat was immer Adam von ihm verlangte, Adam wollte dies, Adam wollte das und meistens wollte er es auch möglichst umgehend und so wie er es beschrieben hatte.

Mit grenzenloser Güte und Geduld tat Gotthold wie ihm geheißen. Adam hatte inzwischen das Beten für sich entdeckt. Er begann es sogar zu kultivieren, nur um Gott das Gefühl zu geben er könne sich zu irgendwas sinnvolle Notizen über Adam machen.

Fortsetzung folgt…

Veröffentlicht von Agimar N. Edelgranberget

I am insane.

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