Das Eerste Buch Lydia, Teil 2/5


Das Eerste Buch Lydia, Verse 58-142.

© MMX A.N.E.

Sechstes Kapitel

[58] Die Zeiten, in denen dies Adam gefräßigen Hunger und seinen unstillbaren Durst befriedigen konnte, gingen aber schon ein paar Tage darauf dem Ende zu. Adam wurde es unglaublich langweilig. Er wurde von einer tiefgreifenden Depression mit festem Griff mehr und mehr zerdrückt und verlor sich in endlosen Grübeleien. Kurz — er fühlte sich schrecklich einsam.

[59] Nicht einmal die Freuden, die er einige sonnige Tage und lauschige Nächte genoss, als er entdeckte wozu sein Penis sonst noch in der Lage war — womit er sich im übrigen einen Kleinkrieg mit Gotthold aufhalste welcher sich von Adam hintergangen fühlte, weil er eine seiner Regeln schamlos gebrochen hatte und ihm dies zu allem Überfluss auch noch anstatt Reue, offenbar grenzenlose Freuden und zahllose Glücksmomente bescherte, hielten ihn länger bei Laune.

Zu Gottholds Leiden und Missfallen setzte sich Adam ohnehin wieder einmal durch, indem er darauf beharrte, dass er mit seinem Körper schalten und walten lassen könne wie er wolle, und dass Gotthold dies doch stattdessen lieber als Bekenntnis und Zeugnis von Adams Innenwelt begreifen solle, er also somit nun wirklich eher höchst zufrieden gestellt, als grausamst erbost zu sein habe.

[60] Gotthold begnügte sich schließlich, wen auch widerwillig, mit dieser Vorstellung — auch wenn er nicht ganz glücklich über das Ergebnis war. Um den Frieden und die Eintracht zu wahren, sicher aber auch um den Fortlauf seiner Experimente nicht zu gefährden, ließ er Adam wieder einmal alles durchgehen.

[61] Dass er das einmal bereuen würde konnte Gotthold sich nicht im Geringsten vorstellen, ja dass er sich eines Tages wünschen würde, er hätte diesen ungehobelten Parvenü, diesen perversen Burschen, diesen undankbaren Fiesling Adam niemals in sein Leben gelassen, ach, dass er dieses Experiment doch besser nie gemacht hätte!

Nein, diese Gedanken kamen dem durchaus treudoofen Gotthold damals noch nicht. Ihm, dem eigentlichen Meister, war seine Schöpfung längst aus den Händen geglitten bevor es ihm auch nur im Ansatz klar geworden war. Er hatte längst schon nicht mehr dienFäden in der Hand. Adam hatte jedoch Probleme ganz anderer Art und bereits kurze Zeit darauf wieder jeden Lebensmut verloren.

[62] Die Langeweile, die Leere und die Einsamkeit quälten ihn. Ihm fiel nichts mehr ein, was er tun oder fragen könnte oder was er Gotthold abverlangen könnte. Es war schon einige Tage her, dass er auch nur einen Meter gelaufen wäre oder auch nur einen Finger krumm gemacht hätte. Er ließ sich schlechterdings von Gotthold anheben und die Welt unter ihm um sich drehen. Er hatte jetzt jeden noch so uninteressanten Flecken Erde vom Paradiese gesehen, hatte sich aber nirgends so richtig heimisch gefühlt. Das ganze Paradies kam ihm mehr und mehr wie nicht auf ihn zugeschnitten vor, und soviel er sich auch von Gotthold kredenzen ließ — es fehlte ihm etwas.

[63] Sicher, das eine Mal, als er Gotthold mit Kot beschmierte war für zumindest kurze Zeit sehr erheiternd gewesen — oder als er ihm ins Fell erbrach. Aber was stets wiederkehrte, waren Adams unbefriedigte Bedürfnisse.

[64] Er versuchte mit Gotthold darüber zu sprechen, doch der druckste immer nur um den heißen Brei herum, als wolle er ihm eine Kleinigkeit verheimlichen. So sehr Adam auch versuchte hinter dieses Geheimnis zu kommen, dieser wich immer geschickt aus.

Weder schien Gotthold das mindeste Interesse oder Verständnis für die Situation in der Adam sich befand aufzubringen, noch war er jedes Mal gewillt sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Und so beschäftigte er Adams Verdauung mit immer noch etwas ausgefalleneren Speisen, mit denen er ihn verköstigte. Darunter waren Nektar und Ambrosia nur die hors d’œuvres.

[65] Doch stets wurde Adam allem überdrüssig. Was Gotthold auch versuchte, es gelang ihm fortan nicht mehr, Adam aufzuheitern. Eines Nachts, im tiefsten Winter, Gotthold saß stillschweigend über seinen Studien Adam betreffend, rätselnd wie er dem armen Häufchen Elend etwas Gutes tun könnte — ohne natürlich sein Geheimnis preisgeben zu müssen. Er fürchtete seine Studien könnten ein für Alle mal fruchtlos bleiben. Wieder so ein Experiment, von dem sein Volk sich in seiner Meinung über ihn bestätigt sähe. Aber er wollte doch als Held zurückkehren und Allen zeigen, dass er seine Macht sehr wohl im Griff habe und diese zu außerordentlichen Wundern zu benutzen in der Lage war. Sie wären dann still und würden ihm, im Gegenteil — zujubeln und er wäre endlich wieder Teil seiner Familie. Aber dazu brauchte er Adam. Die Sache war zu wichtig für ihn, als dass er zulassen konnte, dass sie scheiterte.

[66] Geknickt trat Adam an Gotthold heran. Er hatte eine perfide List ausgeheckt mit der er Gotthold hintergehen wollte. So geschickt war sein Schauspiel, dass sich Adam die Rolle zeitweilig selbst abnahm. Denn er war sich gewahr, Gotthold war sehr bedacht in allem was er tat. Und was Adam auch versuchte, Gotthold gab peinlichst genau darauf acht, dass ihm nichts zustieß. Seit der Sache mit der Schlucht war Gotthold klar, dass er stets ein Auge auf ihn haben musste, wenn er seine ehrgeizigen Ziele verwirklichen wollte.

So kam es also zu folgender List: Adam trat also an das fürchterliche Untier heran und sprach: 

„Sag an, Gott, mir ist letzthin dieses seltsame schwarze, bläuliche manchmal rote, teilweise klare Material aufgefallen, das häufig auch von Stein umgeben und verschiedenfarbigem Staub bedeckt ist.“

[67] „Was ist damit?“, fragte Gotthold in seine Notizen vertieft.

[68] „Nun, ich wunderte mich nur, ob es nicht ziemlich gefährlich ist, wie scharfkantig das manchmal so bricht. Du weißt ja, ich habe mir an einem kleinen Splitter einmal den Finger aufgeschnitten.“

[69] „Ja?“, runzelte Gotthold die Stirn, „Worauf willst Du hinaus?“

[70] „Mir ist ehrlich gesagt aufgefallen, dass Du seither sehr aufmerksam zuschaust, wenn ich mit Steinen hantiere. Hat das einen Grund?“

[71] „Also ich bin mir jetzt nicht sicher, ob ich Dir noch folgen kann, Adam. Bist Du sicher, das Du Dir das nicht vielleicht einbildest? Dass Dir das nur so vorkommt?“

[72] „Nein…“, sagte Adam, „ich wüsste einfach nur gerne, ob vielleicht eine Gefahr für mein Leben bestehen könnte? Meinst Du es wäre möglich, dass dieser Stein so bricht das er so scharf ist, dass ich mich daran ernsthaft verletzen könnte? Ich muss das ja wissen, damit mir nichts passiert. Darüber musst du doch nachgedacht haben, Gott. Und sei bitte ehrlich, du weißt dass ich alles rauskriege!“

[73] „Ach, Adam! Du stellst immer Fragen die letzten Tage, die mir wirklich Sorgen bereiten. Ich muss mit Dir darüber reden. Aber nicht jetzt Adam, ich bin gerade der Auswertung einiger sehr interessanter Schaubilder.

Und damit Du Ruhe gibst: Du meinst den Obsidian? Diese Steine sind gefährlich, ja. Also versprich mir, dass Du nicht ohne meine Aufsicht mit ihnen spielst. Versprichst Du mir das, Adam? … Adam?

[74] Adam hatte was er wollte. „Natürlich, Gott — nicht, wenn du nicht dabei bist!“, log er ihm ins Angesicht.

[75] Gotthold schien wieder völlig in seine Notzen vertieft. Adam machte sich frohgemut nach den Steinen auf.

[76] Er fühlte sich zum ersten Mal seit langem wieder lebendig. Er hatte endlich wieder eine Entscheidung zu treffen. Endlich konnte er wieder einmal etwas verändern, an dieser langweiligen Welt. Etwas gegen die Schmerzen tief in ihm drin tun. Er schlug die Steine aufeinander worauf einer von ihnen in tausend Stücke zerbrach. Vor ihm lag ein ganzes Arsenal an Mordwerkzeugen, eines schärfer und spitzer als das andere. Er griff sich das größte und schärfste, das er finden konnte und rammte es sich in den Bauch!

Siebentes Kapitel

[77] Er hörte seine eigene Stimme schmerzverzerrt schreien, gleichzeitig hörte er Gotthold in seinem Kopf jammern und klagen. Das Blut quoll zwischen Adams Fingern ins Paradies hinein, die er fest mitsamt des Dolches in seinen Bauch drückte. Das warme Rot spritzte weit und diel in vielen kleinen, lustigen Sprenkeln auf die umliegenden Steine herab, der weiße, reine Schnee sog sich voll mit Adams kochendem Blut.

[78] Langsam begann alle Welt um ihn herum schwarz zu werden. Er entschwand ihr. 

Daneben stand plötzlich wimmernd und zeternd vor Trauer Professor Gotthold von Kolob.

[79] „Es kann doch nicht so sehr an seiner Freiheit hängen! Was vergöttert es sich selbst so sehr? Warum um alles im Garten Eden legt es soviel Wert auf seinen freien Willen? Es darf mich doch nicht auch noch verlassen! Es war doch meine letzte Hoffnung, sonst kann mich nichts mehr erhellen, nichts mehr erlösen. Ich bin doch so unendlich allein ohne Adam! Ich liebe ihn! Ich liebe ihn grenzenlos, mehr als ich mich selbst liebe! Er darf nicht von mir gehen! Niemals! Und er darf niemals erfahren, wie sehr ich ihn liebe! Er daef nichts von meinen Gefühlen von mir ihm gegenüber wissen. Oh, ich kenne ihn — er würde es schamlos gegen mich ausspielen, ich wäre für immer sein willenloses Opfer!“

[80] Gotthold, machte eine Handbewegung, nahm all seine Macht zusammen, er dachte mit all seiner grenzenlosen Liebe an Adam, nur an Adam — ein einziger reiner Gedanke voller Kraft und Licht — ein Moment atemberaubender Herrlichkeit erfüllte Adam und er war wieder voller Leben. Seine Wunde gab es nicht mehr, der zuvor zerbrochene Stein war wieder heil und all dieses Unglück war, als ob es nie geschehen wäre.

[81] Gotthold brach ob der immensen Aufgabe in sich zusammen. Er musste sich setzen. Er hatte ganz vergessen, wie anstrengend das war, seit er sich an jenem verhängnisvollen Sonntag vor einem halben Jahr zurückgelehnt hatte.

[82] Und Adam? Rasend vor Wut schlug er mit seinen Fäusten auf den erschöpften Gotthold ein. Er trat auf ihn ein, wieder und wieder und immer wieder, bis gelbliches Blut nur so spritzte!

[83] Gotthold stöhnte vor Schmerz und Schmach. Doch unablässig schlug, trat, biss und kratzte Adam auf seinen Peiniger ein. „Bei meinen Exkrementen auf deiner lausigen Schöpfung!“, schrie er verbittert und wutentbrannt, „Ich wichse Dir auf deinen blutenden, noch dampfenden und zuckenden Leichnam! Ich verfluche Dich! Ich hasse Dich! Lass’ mich doch endlich in Ruhe, du gestörtes Viech! Lass’ mich endlich allein! Ich will nicht mehr! Das ist nicht richtig, was du mit mir machst! Es ist falsch, böse und das weißt du ganz genau! Man spielt nicht einfach so Schöpfer! Du konntest nicht wissen, was die Konsequenzen sein würden! Was ist mit meinem Leid? Na?!“, er trat noch einmal kräftig rein. „Na? Was ist mit meinem Leid? Fühlt es sich vielleicht so an?“, wobei er mit der bloßen Hand Stücke aus einer blutenden Wunde Gottholds riss. „Na? Was glaubst du? Fühlt es sich so an?“

[84] „Nein…“, bibberte Gotthold. „Adam…“, Gotthold musste laut schlucken, „Adam… Du… Du machst mir Angst…“, er wimmerte, dann bald flennend stammelte er: „Adam… das habe ich doch nicht gewollt!“

[85] Erschöpft sank Adam neben Gottholds blutendem Körper zusammen und schlief augenblicklich ein.

Achtes Kapitel

[86] Als Adam erwachte, war Gotthold bereits wieder auf den Beinen und putzmunter. Adam selbst zehrte noch an der Vorstellung, dass es aus diesem Horror offenbar kein Entrinnen gab. Er war gefangen in der Phantasmagorie einer wahnsinnigen, degenerierten Kreatur — er war für immer gefangen und es gab einfach, nein es gab einfach kein Entkommen! Gotthold war immer zugegen! Er hatte keine ruhige Minute mehr vor diesem Verrückten, der immer pedantischer versuchte, dieser Gotthold!, eine goldene Gummizelle um ihn herum zu errichten, aus der kein Wille, kein Gedanke mehr nach außen drang und kein lebensspendendes Sonnenlicht, kein lebenswerter Moment mehr zu ihm hereindrang und somit sein Gemüt erfreuen konnte.

[87] „Ich bin dir überdrüssig…“, hauchte Adam schwächlich. „Was kann ich nur tun, damit du mich ziehen lässt?“

[88] „Es wird mich nicht verlassen!“, zischte Gotthold zwischen seinen mächtigen Stoßzähnen hervor. „Niemals!“, schrie er kichernd.

„Ich habe gedacht, Du wärst gescheiter, ja, ja, in der Tat, jaja, das dachte ich! Aber ich hatte von Anfang an recht. Du bist ein Wurm! Du bist mir nicht gewachsen. Wie konnte ich annehmen, Du kleiner Bollen Materie hättest Macht über mich? Nein, jetzt wird wieder getan, was ich sage! Du willst sterben? Fein! Wenn Du tust was ich Dir sage, werde ich Dir vielleicht eines Tages diesen Wunsch erfüllen. Aber von nun ab ist Schluss mit dem aufmüpfigen Verhalten!“

[89] „Hier Adam, trink’ das! Es wird Dich beruhigen. Es macht, dass Du nicht mehr diese Gedanken hast, Adam. Nun komm‘, stell‘ Dich nicht so an, es ist zwecklos und Du weißt es! Ja, brav — mach ihn weiter auf, den Mund. So ist es gut Adam, noch einen Schluck. Ja, ich wusste Du bist ein guter Adam. Nimm nun noch einen Schluck von der Religionsessenz. Nun komm schon, auf geht‘s. So ist‘s gut, Adam. Und? Wie fühlst Du Dich? Wird Sir schon besser?“

[90] „Ich fühl‘ mich beschissen…,“, aber während er das sagte, versuchte er ein seliges, debiles Grinsen vergeblich aus seinem Gesicht zu wischen. Er war doch sauer! Aber es half nichts. Er fühlte sich besser und besser.

[91] Es brach nun eine Zeit an, in der Gotthold und Adam glücklich zusammen im Paradies die Jahreszeiten zusammen verbrachten. Gotthold fühlte sich wie ein junger Gott und er war unglaublich verliebt und total vernarrt in Adam.

[92] Adams Glück entstammte den nunmehr immer höheren Dosen Religionsessenz, die seine Wahrnehmung benebelte und ihn ausgeglichen und zufrieden machte.

[93] Er und Gotthold verbrachten lange Winterabende an lauschigen Feuern, beim Knistern der Flammen, die das Holz verzehrten, ergossen sie sich in endlosen philosophischen Fragestellungen und Gedankenkonstrukten, sie versuchten moralische Wertvorstellungen zu katalogisieren und nach Wichtigkeit zu sortieren. Es war eine Kultur des Zusammenlebens entstanden, die Gotthold voller Verzückung dokumentierte und an der er sich in seliger Ekstase labte. Er hatte doch noch gewonnen. Der Triumph rann ihm wie lieblicher Wein die Kehle hinab. Ob es nun schon an der Zeit war, aus dem Exil zu treten, sich vor sein Volk zu stellen und sie mit seiner Schöpfung zu beeindrucken? Er beschloss damit noch etwas zu warten — ja, wer weiß, es mochten sich ihm noch so viele beeindruckende Dinge erschließen. Er war stets von sich selbst ergriffen, wenn er der Schöpfung Blüte und Gedeihen bewunderte. Ja, wie sich Adam, die Krone seines Opus‘ mehr und mehr nach seinen Vorstellungen entwickelte, all dies schenkte Gotthold Zutrauen in sein Experiment und ließ seine Liebe zu Adam stetig an Tiefe und Reinheit gewinnen.

Neuntes Kapitel

[94] Und doch folgte dieser eine Tag, der für Gotthold alles ändern sollte. Es war zu allem Überfluss ein Sonntag und Gotthold hatte eigentlich seinen freien Nachmittag.

[95] Als Gotthold nach einem hemmungslosen Selbstbesäufnis, etwas früher als sonst üblich, bereits völlig betrunken zurück in seine große, elliptische Dunkelkammer trat, in der all die vielen Experimente vor sich hinschwebten — und sich auf die Erde begab — erwischte er Adam in flagranti in einer für Gotthold höchst unappetitlichen Sache.

[96] Hechelnd war Adam über ein kleines Zicklein gebeugt und bewegte sich hektisch um das Hinterteil des weniger als halblebigen, erbärmlichen Geschöpfs.

[97] Entsetzt und lallend rief Gotthold: „Adam! Adam!, was um alles in der Welt tust Du da? Er nahm all seine Beine, Tentakel, Flügel und Flossen in die Hand und hastete der ihm äußerst peinlichen Situation, halb torkelnd, entgegen.

[98] Adam, der just in diesem Moment mit dem flauschigen Überrest fertig geworden war, drehte ihm noch einmal mit einem kräftigen Ruck das Genick um und warf es gleichgültig in die Büsche.

[99] Fassungslos und schwankend kam Gotthold vor dem nichts Böses ahnenden Adam zum Stehen. Eine Träne lief Gotthold die Wange hinab.

„Das war… Deine Cousine…“, wimmerte er. „Was hast Du nur getan?“, stammelte Gotthold.

[100] „Na und wenn schon, Cousine hin oder her, was macht das schon? Es gibt doch wohl mehr als genug von den Viechern…“, schmollte Adam. „Es ist ja im übrigen auch nicht so, dass dies das erste…“. Weiter kam er nicht.

[101] „WAS!?“, schrie Gotthold, jede Fassung und Farbe verlierend.“Du, Du, Monster! Was habe ich da großgezogen?!“

[102] „Ja ich habe da am Sonntag halt auch so meine Sachen, die ich mache — du sagst mir im übrigen ja auch nie, was du jeden Sonntag, allein irgendwo machst — wovon du JEDES Mal völlig betrunken zurück kommst!“, quengelte Adam genervt.

[103] „Adam, das ist jetzt nicht…“, versuchte Gotthold den Gesprächsfaden an sich zu reißen.

[104] „Was denn? Glaubst du, ich habe mir mein Leben mit dir so vorgestellt, dass ich jeden Sonntag Abend einem völlig besoffenen Scheusal beim  Erbrechen assistieren muss?

Und die Montage? Was ist damit, du liegst den ganzen Tag stinkend und schnarchend in deinem eigenen Erbrochenen — und erst am Dienstag Nachmittag kann man wieder ein vernünftiges Gespräch mit dir führen!

Ich hab‘ da keinen Bock mehr zu, ganz ehrlich! Mir steht‘s hier!“, wobei er wild und ohne jede Contenance mit seiner flachen Hand an seiner Kehle herumfuchtelte.

[105] „Adam… hör mir zu. Ich leide, ich leide doch! Wenn ich nicht endlich vernünftige Ergebnisse bekomme, dann wird es mir nie gelingen zu meinem Volk zurückzukehren! Ich bin so einsam, Adam. Mach‘ nicht so ein komisches Gesicht, jetzt. Die Zeit mit Dir ist wunderschön, ja, und bis heute liebte Ich Dich mehr als jemals zuvor! Und dann das. Adam, mindestens zwei meiner dreizehn Herzen hast Du soeben gebrochen! Was hast Du Dir nur dabei gedacht? Das arme, traurige Geschöpf!“, versuchte Gotthold Verständnis für seine Situation zu erhalten.

[106] „Und was ist mit mir? Ich habe auch meine Bedürfnisse!“, schrie Adam wütend, der sich von Gotthold persönlich angegriffen fühlte. „Wenn ich mir unten rumspiele: Wer schaut erst Minuten lang zu, nur um dann zu nörgeln und zu zetern? Du! Wenn ich‘s mit Zicklein mache ist es auch nicht in Ordnung. Was willst Du von mir, frag‘ ich mich!“

[107] „Ich… ich… Adam, das hast Du mir ja nie erzählt! Ich sage Dir doch immer, dass Du mir alles erzählen musst! Hättest Du mir dies doch nur früher gesagt! Ich bin Dir also nicht gut genug. Das ist hart. Ich kann Dir wohl nicht alles geben, was Du in der Beziehung bräuchtest. Ich würde das…“, Gotthold brach zitternd in Tränen aus, „… niemals durchstehen, Adam. Dich mit anderen Kreaturen meiner Schöpfung Schindluder treiben sehen zu müssen, bräche mir auf ewig die Herzen.

Oh, Adam…“, flennte Gotthold und diverse Flüssigkeiten mannigfaltigster Farbgebung flossen in Strömen aus Öffnungen, von denen man es zuvor niemals vermutet hätte.

[108] Gotthold war ein gebrochener Mann. Adam stand stillschweigend da, mit einem Gesichtsausdruck als bewundere er den größten Haufen Kot, den er jemals ins Paradies gelegt hätte.

[108] „Und jetzt?“, fragte Adam schnippisch. „Ich kenne dich nur zu gut, selbst wenn du wolltest, du brächtest es nie fertig mich zu töten! Vor allem zumal du weißt, dass es mein sehnlichster Wunsch ist, endlich sterben zu dürfen, frei zu sein, dich nicht mehr ertragen zu müssen, deine furchtbare Schöpfung nicht mehr sehen zu müssen!

Und mit der Religionsessenz hast du dich wohl auch vertan, was? Als mir klar geworden ist, was der Schiss mit mir macht, den du mir da täglich mehr und immer mehr einzuflößen gabst, hab‘ ich das Zeug einfach wieder ausgespuckt und dir was vorgespielt! Ich lass‘ mich doch nicht für dumm verkaufen! Du hältst mich wohl für bekloppt! Du erbärmliche Witzfigur!, heulst mir was vor von wegen ‚Üüch brauuch Ergebnissäää‘ und manipulierst dein eigenes Experiment, fälschst die Resultate und das alles nur, weil du dir damit auch noch selbst was beweisen willst! Erbärmlicher Feigling! Schau in den Spiegel, du Wurst!“

[110] Gotthold wurde still und totenfahl, wie ein vor kurzem verstorbener Mensch, Flecken, so abscheulich und gruselig, dass sie jedem außer Adam das Mark in den Knochen gefrieren lassen würden, breiteten sich wild auf seiner Oberfläche aus. Er brach wortlos auf die Knie und sank erschöpft zu Boden.

[111] Und zum ersten Mal, seit Adam damals hier erwachte und seine ersten Minuten ohne Gotthold verbrachte, hatte Adam wirklich frei. Kein Gotthold, der ihn störte — er hatte nur sich allein. Keine Stimme in seinem Kopf. Er genoss die wenigen freien Stunden, die es voraussichtlich dauern würde, bis Gotthold wieder erwachte in vollen Zügen und es fand sich schließlich keine Schandtat mehr, die es wert gewesen wäre begangen zu werden, als sich Adam mit einem seligen Grinsen im Gesicht in einer warmen Höhle auf die Felle einiger Tiere, die er kurz zuvor blindwütig  getötet hatte, bettete und sofort einschlief.

Zehntes Kapitel

[112] Als Adam am nächsten Morgen erwachte, saß Gotthold bereits neben ihm und hatte ihn wohl schon einige Stunden, wie Narziss sein Spiegelbild im Wasser bewunderte, angestarrt. Besonders angetan schien er wie immer von einem besonderen Körperteil, das die Morgensonne zu grüßen pflegte.

[113] „Wir müssen reden.“, sagte er feierlich.

[114] „Mhhh??“, stöhnte Adam schlaftrunken.

[115] „Wegen gestern. Hör zu, Ich muss Dir… Recht geben… ich war eigennützig! Ich habe das Experiment manipuliert, womit ich, da hast Du vollkommen recht, mein ganzes Projekt in Gefahr gebracht habe. Aber ich war so verliebt, so vernarrt in Dich, Adam. Verstehst Du, was ich sage? Adam ich liebe Dich über alles! Ich sehe in Dir mein absolutes Meisterwerk. Du bist mir sogar ebenbürtig, was ich niemals vorher zu denken gewagt hätte! Wenn ich durch Deine blonden Locken streichle, mich tief in Deinen blauen Augen ertränke, dann, ja nur dann lebe ich!“

[116] Gotthold blickte mit Enttäuschung in seinen glänzenden Augen auf den sich am Boden räkelnden Adam.

[117] „Du könntest meinen Stolz und meine Liebe zu Dir nicht einmal dann verstehen, wenn ich sie Dir auf einem Silbertablett servieren würde auf dem ein kopulierendes Zickleinbündel zu sehen wäre, welches Dir ein Bild davon ins Gesicht hielte, nicht wahr?“, fragte Gotthold traurig.

[118] „Mhh-hmmm. Liebe, ja. Schon kapiert…“, stöhnte Adam.

[119] „Adam, was ich Dir eigentlich sagen wollte: ich habe mir da was durch den Kopf gehen lassen. Pass auf — wie wäre es, wenn ich Dir einen Gefährten schenkte? Was hältst Du davon? Er wäre wie Du! Du könntest mit ihm all Deine Bedürfnisse befriedigen, denn er würde sie ja auch haben! Ist das nicht toll? Das würde mein Experiment auch in keinster Weise verfälschen. Und ich wäre natürlich trotzdem immer für Dich da, wann immer Du mich brauchst! Ich werde aber ein bisschen mehr Abstand halten von Dir, damit ich nicht mehr soviel Einfluss auf die Experimente nehme, verstehst Du?“, verkündete Gotthold aufgeregt.

[120] „Papa, Du bist großartig!“, Adam sprang auf und fiel seinem perplexen Vater um den Hals. Gotthold empfahl sich offensichtlich überglücklich, denn er müsse noch einiges an Material heranschaffen.

[121] Es verging kaum eine Stunde, da sprach Gotthold: so Sohnemann, dann komm‘ mal her und setze Dich auf meinen Schoß. Also pass‘ auf: Was ich jetzt mache, das nennt sich klonen. Das wird ein bisschen weh tun, denn ich brauche Material von Dir um daraus Dich selbst nochmals zu erschaffen. Verstehst Du? Vorzugsweise eine Deiner Rippen, darin müsste genug Knochenmark für das Experiment vorhanden sein.

Klonen ist aber an sich auch nichts schlimmes. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich habe das schon so oft gemacht — im eigentlichen Sinne ist das Klonen das wahrhafte, allem Leben zugrundeliegende Prinzip. Was glaubst Du zum Beispiel, wie ich die Wälder gemacht habe? Gerade bei Pflanzen war durch das Klonen vieles sehr viel einfacher. Also gut, wollen wir?“, sprach Gotthold mit geheimnisumwitterter Stimme.

[122] Adam willigte gespannt ein.

[123] Gott schnitt mit bloßen Händen, wobei man allerdings die mitunter äußerst scharfen Krallen, die je gemeinhin als für die Sache des Operierens als von enormer Wichtigkeit erachtet werden, nicht vernachlässigen sollte, Adams Brustkorb auf, riss einmal kräftig, scheinbar wahllos an einer Rippe, sodass das Blut nur um sich quoll und Gotthold nur wenige Augenblicke später aussah, als wäre ihm im Hämoglobinraum ein Kanister umgefallen.

[124] Adam schrie, als erlebe er tausend Feuerwerke des Glücks in freudiger Erwartung seines eigenen Todes, in dieser Ekstase vergaß er aber, dass es nicht Gottes Absicht war ihn zu töten, sondern ihn ja noch einmal neu zu gebären.

Elftes Kapitel

[125] Als er wieder erwachte war ihm noch etwas übel, seine Brust schmerzte noch ein bisschen. Was er aber sodann erblickte, erfreute ihn in höchstem Maße. Neben ihm stand ein gestählter Jüngling — seine wie geölt wirkende, elfenbeinfarbene Haut strahlte ihm im Zwielicht der Höhle entgegen. „Wie heißt er?“, fragte Adam geschwächt, aber in freudiger Erwartung der abartigsten sexuellen Phantasien sowie deren grausam-pedantischen Umsetzung, vor allem, als er den jungen Lustknaben sich bücken sah und er ein Hinterteil erblickte, das ihn mit unbändiger Lust erfüllte. Auch sonst war ihm der Bursche wie aus dem Gesicht geschnitten. Er sah absolut genauso aus wie Adam, ein paar Tage jünger vielleicht und unverbrauchter. Er sah wie das Engelchen aus, welches Adam noch an seinem ersten Tage gewesen war. Unschuldig. Unwissend. Manipulierbar. Adams Penis begrüßte die Morgensonne mit allen militärischen Ehren, als Gotthold, scheinbar unbeeindruckt von Adams mächtiger Erektion, beiläufig erwähnte: „Ich dachte an Lilith?“

Zwölftes Kapitel

[126] „Lilith! Ja, das ist gut, das gefällt mir! Wo nimmst du nur immer diese beeindruckenden und trefflichen Namen für alles her, Gott?“, exklamlierte Adam.

[127] „Hör her —“, sprach Gotthold. „Bitte gehe anständig mit ihm um. Ich habe mir überlegt, dass ich alle Verantwortung über ihn, sein Leben und sein Schicksal, in  Deine Hände geben möchte. Das wird mein Experiment derart beflügeln, ich werde ganz neue Erkenntnisse erlangen, denn schließlich habe ich Dich stets massiv beeinflusst. Damit ist jetzt Schluss, Adam.“, sagte Gotthold mit schwerwiegendem Ton. „Dir obliegt nun Verantwortung, Adam, damit ist nicht leichtfertig umzugehen. Du hast mir immer große Vorwürfe gemacht, Adam. Nun werde ich endlich erfahren, ob dies tatsächlich mein Fehler war, ob es an meinem Einfluss auf Dich lag, oder ob nicht Du das grausamere Wesen von uns beiden bist! Nun kannst Du es mir beweisen! Ich brenne auf die Erlangung dieser Erkenntnisse!“

[128] „Geil!“, jubilierte Adam höchst vergnügt, was allerdings weniger als Antwort an Gotthold zu verstehen war, als vielmehr der Beschreibung von Liliths Körper galt. Wieder fiel er seinem Vater beherzt in die Arme, schlang seine schweißnassen Wichsgriffel fest um die Schultern seines Gottes und küsste das, was er für seine Nase hielt.

Dann packte er sofort Lilith am Arm und zerrte ihn aus der Höhle. Gotthold war inzwischen mit saubermachen und aufräumen beschäftigt und winkte den beiden hinterher.

Draußen, einige hundert Meter abseits, warf Adam den sich heftig wehrenden Lilith über einen Stein und vergewaltigte den schwächlichen, hilflosen Jüngling, dem alles quieken und schreien nicht aus dieser Situation helfen wollte.

[129] Dann stellte er sich dem geschundenen Abglanz eines Menschen pfeifend und mit singender Stimme vor:

[130] „Hallo, ich bin Adam,

Und Du bist Lilith.

Was immer ich auch tue —

Es ist zu meinem Wohlgefallen!

[131] Du wirst es wollen,

Du wirst es genießen!

Denn Du gehörst mir —

Und nur mir allein!

[132] Du wirst mir dienen, und nur mir allein!

Du wirst Dich fügen, und nur ob meiner!

Du wirst nur denken, was ich Dir zugedenke!

Du liebst nur mich! Nur mich allein!“

[133] Und zitternd und mit hochrotem Kopf fuhr er mit seinem gänsehautverheißenden Singsang fort:

[134] „Mächtig ist mein Bund mit dem Herrscher über Allem hier!

Alles hört seinem Befehl: Baum, Stein, Wasser und Getier!

Und er hört nur meinem Worte ganz allein —

Was glaubst Du, wird Dein Schicksal sein?“

[135] Nach den letzten Worten machte er eine tiefe Verbeugung und grinste dem armen Jünglinge ins Gesicht.

Dreizehntes Kapitel

[136] Lilith starrte Adam wortlos mit Tränen in den Augen an. Das wenige Augenblicke zuvor noch jungfräuliche Kunstwerk menschlichen Seins lag nun abgewrackt und wie das groteske Abbild eines Menschen, wimmernd zu Adams Füßen.

[137] „Nein!, Nein!“, schrie Lilith, so heftig, dass er den Rotz Adam entgegen stob. „NIEMALS!“, und Lilith sprang wie vom Blitz getroffen auf, rannte los, hastete, stolperte. Es schrie Lilith wie am Spieß, grauenerregend hallte seine schrille Pein, mit endlosen Echoschleifen verziert, durch die zauberhaften Wälder des Garten Eden.

[138] Und noch ehe Adam überhaupt wusste, was eigentlich geschah, sah er seinen teuren Knaben wie er einst sich selbst sah, als er todessehnsüchtig durch die Wälder rannte um seinem wahnsinnigen Herrn zu entfliehen.

Er schrie vergebens nach Lilith — er würde sich nicht umdrehen. Und ohne jegliche Möglichkeit eingreifen zu können musste er zu Tode erschrocken dabei zusehen, wie sich Lilith stolz und mit Anmut in eine tiefe Schlucht stürzte. Aber hier war kein Wasser, das den Sturz hätte abfangen können. Als Adam am Rande der Schlucht ankam konnte er nur Liliths blutüberströmten und ernsthaft verrenkten Körper in der Ferne ausmachen.

[139] Er brach auf die Knie. „Gott, oh Gott!!! Gott, du musst mir helfen!, jammerte er, die Augen tränennass. Seit Gotthold Lilith in Adams Hände gegeben hatte, waren gerade einmal zehn Minuten vergangen und Gotthold fragte sichtlich verwundert: „So früh schon? Was gibt es denn… wie geht es Lilith — versteht ihr eich gut?“

[140] „Genau darum geht es ja! Lilith hat sich in blindem Wahn diese Schlucht heruntergestürzt und liegt unten selig in den Armen des Todes!!! Und ich muss hier alleine sein!

Du musst ihn wieder lebendig machen, wie Du mich damals wieder lebendig gemacht hast!“, überschlug sich Adam.

[141] Ernsthaft erschüttert antwortete Gotthold: „Was? … Lilith ist tot? … Oh, Adam. Ich weiß nicht mehr, was ich mit Dir machen soll! Du bringst mich um den Verstand! Du bist das Schlimmste, was mir in meinem gesamten Leben passiert ist. Ich hatte noch nicht einmal mit dem Experiment begonnen, da hast Du es schon wieder beendet! Oh, heilige Scheiße!“

Wütend stampfte Gotthold auf und streckte Adam seine wutgeschwollenen Brüste entgegen. „Naja, vielleicht musste es ja soweit kommen! Siehst Du eigentlich, was Du da angerichtet hast? Ist Dir das klar? Ich habe ihn in Deine Verantwortung gegeben und nur Minuten später ist er bereits tot? Und jetzt willst Du von mir, dass ich ihn für Dich wieder zum Leben erwecke? So weit wird es bestimmt nicht kommen! Wenn Du Dich für so allmächtig hältst, dann tu Du es doch. Ich werde nicht in Deine Mordtat mit einsteigen. Das ist allein Deine Sache, sieh zu, wie Du damit umgehst oder fertig wirst.“

[142] Damit drehte sich Gotthold, der einen äußerst beleidigten Eindruck machte, von ihm ab und lief von dannen. Adam blieb sitzend und mit dem Oberkörper wippend, dabei kichernd und weinend zugleich am Orte des Geschehens zurück.

Fortsetzung folgt…

Veröffentlicht von Agimar N. Edelgranberget

I am insane.

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