© A.N.E. MMXIX, im April, April! Nein, also weil April ist.
Es klingelt. Im Hintergrund läuft „for whom the bell tolls“ von ‘Tallica. Es klingelt. Das Damoklesschwert körpert seelenruhig über dem Kamin ab. Es klingelt. Die Sanduhr rieselt still vor sich hin. Es klingelt. Die Kerze geht aus, doch ihr Rauch steigt noch lange auf, weshalb man nie sicher sein kann, ob sie nicht nochmal an geht. Es klingelt, die Frequenz sich in den Dauerpiepton des hospitablen Sterbebetts endlagernd. Es klingelt:
Schon wieder. Die Klingel übt sich in Wichtigtuerei. Es beginnt zu nerven. Wie der Tod, weiß aber auch die Klingel stets zum rechten Zeitpunkt, wann es genug ist.
Endlich wieder Ruhe, denke ich mir. Während es klingelte stieg die Todesangst in mir auf. Ich bekomme da wirklich jedes Mal Todesangst, ich weiß nicht was mit mir los ist.
Die Klingel klingelt am 30. Juni. Vielleicht klingelt sie auch früher, die Glocke. Sie wird auf jeden Fall früher klingeln müssen. Ich meine, was ist so schwer? Ich muss sie ja nur noch läuten.
Ist es meine Ex, die da aus reiner Not geklingelt hat? Sie hätte wohl vorher angerufen.
Ist es meine Mutter, die sich heimlich; an Ostern; nach Wien geschlichen hat um mir die kurzweilige Lebensfrist zu versäuern?
Ist es jemand, den meine Mutter mit diesem Ziel beauftragt haben könnte?
Ist es mein Vermieter, der unsere Beziehung zum 1. Juli beendet sehen will?
Ist es das bloße Verderben in irgend einer Form? Jeder, der mich kennt, ruft vorher fuckin‘ an! Denn am unhöflichsten ist das Verderben, das erst an der Haustüre um Einlass bittet.
Who the fuck knows! Halt einfach den Rand, verhurte Klingel. Sie wird noch ein paar Mal am Pessachfest geklingelt haben. Für die Christen [sic!] ist „Ostern“ [sic!], laut Tagesschau das höchste Fest. Wegen irgend so einem Hippiedude und seinem gestörten Vater. Wie auch immer. Im Großen und Ganzen geht es um den Zaubertrick, wie man, des Mals man tot ist, den Tod besiegt. Kritiker sagen man bestimme ja zu Lebzeiten, ob man im Tode, also beim Sterneschnuppern, den Tod überwinde, aber ich beharre auf meiner Sternschnuppe, deren Licht erlischt nachdem sie verglühte. Im übrigen, den ganz Schlauen mit auf den Weg gegeben: Die Energieerhaltung besagt, in der Physik, nur die Erhaltung der Energie, also eine Rechnung für Nullen heraus. In der Erörterung der Dimension der Körperlichkeit. Es sei denn Sie [also der ganze BS der Sie im Kopf sind] sind Energie. Und in vielerlei Zuständen abbildbar. S0rry: roflmao. Das schnallen eben halt nur die Wenigsten, weshalb eine ganze Reihe kostümierter Tagelöhner [wie paraphrasiert man Leute, denen die Apokalypse dämmert?], wenn die Nächte wieder länger werden und um sie herum alles Lebende zu neuem Leben erwacht, sich all so gediegen einen herunterlenzt, obwohl es für kostümierte Tagelöhner noch Tage, wenn nicht sogar Stunden vorher so aussah, als wäre das alles bloß toter Müll, dies, als Allegorie für ihr magisch-animistisches Verständnis von der Welt verwenden um daraus — und jetzt erst kommt der Clou: Profit zu schlagen. Wie man sich irren kann, right?
Die Scheiß Klingel. Die ist der Tod. Auf alten Holzstichen sieht man den Tod manchmal als schellenbewehrten Narren, schelmisch ins Meta-areal [Materialmetasthese] gefickt, dargestellt. Als sei er Epileptiker. Epileptiker! Wtf. Ich sage es nur ein Mal und klipp und klar: Der Tod muss was er tut. Der Epileptiker tut, was er muss. Deshalb habe ich den Tod einmal so gezeichnet. Ist im Herstellungsprozess quasi verhungert. Das passiert mir öfter. Trotzdem lüge ich nicht. Das Bild gibt es. Sehen Sie? Meine Ausreden haben wenigstens eine Bezug zur Realität.
Mein Leben ist jedenfalls verwirkt.
Ich male wieder viel in letzter Zeit. Meine Mutter fragt da so gerne nach und versucht aus mir einen Künstler zu machen. Das liegt daran, dass sie mich nie verstanden hat. Also weil mein Horizont da anfängt, wo er bei meiner Mutter aufhört und in die Kategorie „Kunst“ fällt. Keine Ahnung wie Sie Kunst so definieren, aber… [ich nehme ja immer gerne folgendes Beispiel: Klatschende Nacktaffen: Wenn Sie mal keine Ahnung haben worum es geht, da buchstäblich kein Anschluss unter dieser Nummer eingeleitet wurde, Sie sich aber zu einer Handlung genötigt sehen um zu insinuieren Sie reagierten positiv auf das Rezipierte. Was auch immer das war. Jetzt nur nicht so rüberkommen, als habe man nicht kapiert, worum es ging, indem man nichts tut…] Ich weiß noch, wie ich sie einmal, um meinen Geburtstag herum, auf den Wiener Zentralfriedhof [mein lokaler Friedhof dos Prazeres, mein Vater vom Kas, obwohl der Döblinger auch nicht schlecht ist — fragen Sie jetzt aber nicht, welcher] geschleppt habe und dort abschließend ins Bestattungsmuseum entführt habe, weil meine Mutter ja noch so ein Kleinkind ist, dass man sie an die Hand nehmen muss, weil sie sonst völlig verwirrt herumirrt. Sie mich dort dazu animierend, gegenüber dem Teilzeit-Ticketverkäufer, etwas ins Kondolenz-, nein Gästebuch, zu malen, ^^, weil ich ja so gut zeichnen könne und ich mir abschließend, großzügig meinen künstlerischen Erguss zurückhaltend, von meinem „Geburtstagsgeld“ [weil breeder glauben, Geld helfe gegen Sterben oder unterstütze zumindest ein gediegenes Verwesen] im „Museumsshop“ [auch wenn ich selbst immer wieder darauf hereinfalle: ein Museumsbesuch dient dazu anderer Leute Taschen vollzumachen oder Bilanzlöcher zu stopfen, nicht etwa dazu, Sie zum Künstler zu machen — auch nicht oder besonders weil Sie dafür bezahlen] Bücher zum Thema Tod und ein Zigarettenschachteletui mit dem Aufdruck der „Bestattung Wien“, sagend: „Raucher sichern Arbeitsplätze“, gekauft habe, nur um einen point across zu bekommen. Anyway. Mit Zaunpfählen winken ist echt anstrengend, probieren Sie es mal aus. Der Zaun sollte ja vorher irgendwas abhalten. Dementsprechend nacktaffenwidrig wurde er gebaut.
Wann wird es wohl das nächste Mal klingeln. Es ist, als ob ich mich freute, dass es endlich klingeln möge, und dass es zunächst nicht der Tod, sondern etwas viel Schlimmeres ist, auf dass ich mich Ihm endlich freiwilligst in die Arme werfen möge!
Es muss einfach klingeln. Jingle bells! Will you! Als Erwachsener zu sterben ist wie auf Weihnachten zu warten, als man ein Kind war. Man weiß, dass es bald Zeit ist. Mehr aber auch nicht.
Das exzessive Schreiben habe ich mit 14 oder so angefangen. Ich wollte immer gern Schriftsteller sein. Ich kann jedem nur sagen, dass das eine blöde Idee ist. Nein wirklich. Das Feld der schriftlichen Betätigung „isch a Ragficktes“, wie der Schwabe sagen würde. Der Markt ist übersättigt. Sicher, der Mathematiker weiß, wie viele Kombinationen mikrosemantischer bits möglich sind, doch nur ein Teil davon ergibt tatsächlich Sinn. Siehe Haftbefehl.
Viel, von dem, was ich so schrieb ist unwiederbringlich verloren. Dem trauere ich am meisten hinterher. Seien es „Klassenhefte“ oder sonstiger Tand, oder Bücher die ich schrieb, die dem digitalen Zerfall zufielen. So wurde ich meiner eigenen Kunst beraubt. Allein die Tatsache, dass jeder wirklich klug ist, der ein physisches Tagebuch schreibt — und das meine ich ernst. Nicht dass es nicht auch verbliche, verbrenne, verrotte, recycelt oder zerlegt würde. Aber man versucht zu vermeiden, dass ein Kind stirbt. Ich habe das nicht verstanden, damals. Meine Eltern haben es mir aber auch nicht vorgelebt.
Um wieder auf die Klingel zurückzukommen. Was habe ich die Klingel schon gehört! In meinen Zwanzigern schellte erst das Wählscheibentelephon in orangenem Bakelit?, jedenfalls Plastik, dauerhaft, ekelhaft, wer kennt noch das alte, das analoge Schellen des Telephons? Dann schellte die Kellertür zu meiner Gruft, meinem Souterrain. Dann leuchteten Taschenlampen vergeblich durch die vergitterten, gerolladenen Fenster, wer mal „Akte X“ gesehen hat weiß, dass man um so ein Bild eine ganze Serie heimdrehen kann, dann gingen bei mir die Sicherungen, also die Vortodesängste eines ausgeräucherten Fuchses durch, ich stolperte raus, Bulle checkt mich in ein geparktes Auto (wog ugf. drei mal so viel wie ich, ich beschleunigt, er beschleunigt, vektorartige Beschleunigung meines Körpers auf, besser: ins Blech), Arm gebrochen (worden, mutwillig), Handschellen rauf, 2 Spritzen à 7mg Haloperidol (Ich weiß nicht, ich habe irgendwie zum Ausdruck gebracht, dass ich nicht d’accord war) in den gebrochenen Arm (heute ist er nekrotätowiert), Einweisung in die Klapse.
Ich habe da aber auch schon gearbeitet. Ich finde es immer wichtig, alle Perspektiven zu sehen. Meine (eingewiesen), die der mich Behandelnden, die der „Genossen“, nochmal meine (dort arbeitend, mehrfach), erneut die Gedanken der Insassen, die meiner Kollegen. Unschätzbares Wissen erlangt der, der sich alles anschaut, nicht bloss einen Ausschnitt. Was viele nicht verstehen: Einen Perspektivenwechsel erlangt man nur durch Veränderung des Standpunktes. Vor allem nichts desto Trotz nicht durch Simulationen wie „Empathie“. Die genaue Bedeutung von Mitleid. Wenn man aber nicht mitleidet, im wahrsten Sinne des Wortes: fehlt einem das Mitleid. Wer mir jetzt mit Jesus kommt, den ficke ich in seinen erkaltenden Leichenarsch.
Oder die Muslime, die glauben, wenn man 23 Stunden nichts esse, dafür aber Stunde 24 Lukull ein Ständchen herhedonisiert, zu wissen, wie sich die Armsein anfühlt: minus dem regelmäßigen Exzess zur Befriedung der Armut halt.
Da aber jeder schon einmal Kind war und von Eltern oder deren Ermächtigten erzogen wurde, hilft das Erheischen dieser Perspektive nur dann, wenn man seine Kinder bewusst einer derartigen Situation aussetzen will. Dennoch, jede Erfahrung ist nützlich, wenn sie denn auch Früchte trägt, solange man diese selbst mit ins Grab nimmt.
Es klingelt, ja regnet geradezu Todessymbolik vom purpurnen Himmel, wegen der Algen, sie wissen schon. Bleu-est le ciel, parce-que c’est un mirage. Ein Nekrodüftlein zieht vom Meer her auf. Wie faulige Eier. *hüstel*. Eine kühle Brise tanzt früh, Stücks vom Meer her, an den Palmenstrand von Malle, den mit Asypalmenbewehrten voll in die Nase. Wie lange noch, muss Meinereiner warten? Läute die Glocke. Nimm den Strick. Ziehe, ziehe, am Abzug, Arme über die Laterale, jetzt die Muskeln anspannen! Am Strick reißen, Der Bolzen weiß gar nicht wohin mit der Energie. Plötzlich weiß er es! Rein in den Schädel!
Es klingelt. Oder läutet an. Lass‘ es den Tod sein! Dann verzeihe ich ihm auch das Klingeln!