Man muss verstehen, dass zu leben kein Grundzustand ist.
Entropie, damit Tod, ist der einzig tatsächliche universelle Zustand den wir attestieren können. Eine generalisierte Energielosigkeit, nicht nur unserer menschlichen Existenz, unterliegt dem gesamten messbaren Sein. Dieser Umstand definiert Dasein als Energie, ein in die wahrhafte Leere geworfener Funke, der die verworrenen Konstrukte des Erfassens und des Willens erst ermöglicht.
Nun ist die Frage, wie findet diese grundlegende Energie im Menschen Ausdruck? Wie findet die Ablehnung der Entropie sein Spiegelbild im menschlichen Fühlen, Denken und handeln.
Die Antwort ist wohl so simpel wie sie einfach ist.
In jeder Handlung des Individuums, die sich von einem Verfall seiner Existenz abwendet.
Doch was so einfach scheint ist nicht einfach zu begreifen. Wir nehmen an, dass es zerstörendes, lebensverneinendes Handeln gibt, jedoch ist das Gegenteil der Fall. Um die Energie im Menschsein zu definieren, muss man wohl das Gegenteil betrachten. Es gibt nicht mehr Entropie, nur weniger Energie. So ist ein depressiver Mensch nicht in seinem Handeln stumpf sondern im Unterlassen dieses, ein Zyniker nicht in seiner Hoffnung leer sondern im Fehlen dieser. Es ist zu bemerken, dass ich hier nicht von jener kulturell geprägten Wahrnehmung des kapitalistischen, auf Eigennutz gerichteten Zynikers oder des in sozialen Situationen selbstdefinierten Depressiven ausgehe, sondern von Individuen, die in einem paraphilen Kontext Gefangene dieser Verzehrungszustände ihrer selbst sind.
Diese Schattenseite, von Menschlichkeit die langsam schwindet, befindet sich also gegenüber der gesuchten Energie. So können wir vermuten, dass Handeln und Fühlen die grundsätzlichen Gegensätze der Entropie sind. Ergo Wille und Wahrnehmung, Hoffnung, bestimmen unseren Rebellionsversuch gegen ein entgültig wartendes Aus.
Was also definiert unsere Energie? Was ist es, das uns am stärksten zu Teil dieses Prozesses macht?
Die Antwort ist wiederum reiner Kitsch. Die Liebe.
Aber, abseits der romantischen Liebeslieder, die wohl schon seit der Entwicklung der Sprache und auch davor in vielstimmigen Gesang durch menschlichen Gruppen zogen, kann man Liebe als eine starke Attraktion definieren, eine Anziehung von potentiell unendlicher Tiefe. Gleich wie die Liebe zwischen Menschen das Fortbestehen der Art auf vielen Ebenen, Fortpflanzung, Erziehung zur Bewältigung einer feindliche Umwelt, Bindung benötigter sozialer Kontakte, Kooperation, etc., so bindet uns auch eine intensive Liebe an die Existenz, etwas das wir nur in äußersten Ausnahmefällen verlieren.
Wir lieben zu leben.
Auch so sehr, dass wir, um dieses Leben zu schützen, es schön zu gestalten und es mit Bedeutung zu füllen, wenn diese Liebe strauchelt, manchmal auf schreckliche, nach menschlichem Ermessen, Art und Weise handeln und fühlen. Ein verlassener Mensch, eine zerbrochene Freundschaft, ein gemeinsamer Feind, ein großes Ziel, das alles und noch vieles mehr können zu Gewalt, Armut und Verachtung führen. Doch sogar wo andere gezielt nicht geliebt werden, liebt man doch sich selbst und drückt das durch diese Un-Liebe aus. Sogar intensive Reue ist Liebe, denn das Hirn sucht sich so zu heilen. Schmerz und Trennung fühlen sich jenseits aller Vorstellungskraft komplex an, weil sie voll Liebe sind, die versucht die Entropie fernzuhalten.
Abseits von jeder Drogenerfahrung, oder meditativen Erleuchtung lässt sich so leicht argumentieren, dass ubiquitäres Handeln und Fühlen tatsächlich von Liebe erfüllt sind, da Liebe wohl die Beste Metapher des Menschen für Existenz und damit Energie ist. Der Mensch ist ein Akteur und zugleich Medium der Energie und damit der Liebe und des Daseins. Wir sind eine 1 im Binär des Gesamten.
Dies hat schwer zu verstehende Auswirkungen auf unsere Wahrnehmung. Zum Beispiel der Akt Kinder bei lebendigem Leib zu verbrennen ist Energie. Man vernichtet Leben, leugnet zynisch menschlichen Wert und Potenzial und ignoriert sogar die Hemmschwellen der Biolgie eines tendenziel altruistischen Gruppenlebewesens. Und doch tat man es in einem tausendfach geflickten Teil der Psyche immer aus den richtigen Gründen, man liebt, möchte Teil sein, möchte existieren.
Nun ist aber eine letze Frage zu stellen, nämlich was drückt diese Energie, diese eben nicht grundlegende Liebe am meisten aus? Was hilft am besten gegen den tiefen Sog der Entropie, welche uns allbereit umgibt. Auch hier ist die Antwort Liebe, diesmal klassisch. Es ist schon fast zynisch für einen komplexen, die Welt erfahrenden Geist, doch wieder auf ie biologische Realität eines Gruppentieres reduziert zu sein, das seinen Schutz, seinen Erfolg und seinen Reproduktion mit anderen sucht, aber moderner Forschung nach ist es wohl ein kaum wiederlegbarer Fakt des Status homo sapiens.
Quer durch alle Kulturen haben Menschen mit Tätigkeiten die helfen und starken sozialen Netzwerken, sowie stabilen Partnerschaften die höchsten Glückswerte. Eine Sache nicht der Moral, sondern kalter statistischer Fakten. Vielleicht können diese Menschen einfach nur besonderst gut hoffen, doch zeigt sich in Studien, dass fast ein jedes menschliches Individuum (ausgenommen klinisch depressiver und Psychopathen) zu Optimismus neigt, wenn es solche vorab genannten Umstände erfährt. Der Geist ist zur Entwicklung fähig und so ist es die Gesellschaft. Wenn wir moral überarbeiten, umdefinieren und Pervertierungen der grundlegenden biologischen Wohlfühlkonzepte bekämpfen können wir vielleicht sogar eine Moral der Liebe finden.
Kein leichtes Unterfangen, ob der Jahrtausende voll elaborater Flickversuche, die diese energetisierende Liebe und damit unsere Existenz als lose biologische Art, uns bereits angetan hat.
Aber wir haben ja nichts als Liebe…
Toller Beitrag! Danke. The New Viennese Secession coming to a brain near you! 🖕🏿