© MMXXI A.N.E.
*Hahaha*
*Gacker*
*Kicher*
*Hohohoa*
*Lach*
*Hehe*
*Hüstel*
„So, ehem! — der war gut!“, sagt Oma, immer noch mit einem breiten Grinsen im Gesicht, welches sie glatt siebzig Jahre jünger erscheinen lässt.
Eigentlich grinsen sie alle, doch die meisten sehen doof dabei aus. Vermutlich haben sie die Pointe nicht verstanden. Sie wissen ja, wie das auf Familienfeiern so ist.
Die Kinder kommen eben vom Tollen im Garten zurück.
„Ich hole die Torte…“, beschließt Oma.
„Und den Kaffè!“, erinnert sich Opa. Seit er Demenz hat, erinnert er sich ständig an alles Mögliche. Oder auch nicht. Jedenfalls hat es diesmal Sinn ergeben. Gut. Natürlich nur, wenn man kein Feminist ist.
Wie Erich-August, der Sohn der beiden. Seine Frau ist Thailänderin. ‚Asiatinnen, die sind viel besser als unsere verkorksten deutschen Emanzen!‘, findet Erich-August und betont es bei jeder Gelegenheit.
Nutthisa Siriphorn spricht nur wenig Deutsch. Verstehen tut sie aber alles. Manchmal wünschte sie sich es wäre andersherum. Jedenfalls folgt sie Oma Hildegund unauffällig in die Küche. Sie hat immer gerne etwas zu tun. Es lenkt sie ab.
Die anderen Geschwister von Erich-August sind alle weiblichen Geschlechts. Er ist der Jüngste der fünf Boomer, seit sein Bruder an Krebs verendet ist. Sie können es sich sicher denken, — da springen locker sieben (Enkel)Kinder rum. Es schaut aus wie im Lager eines Orgelbaumeisters. Die Pfeifen fahren überall rum. Und quieken tun die, herrlich!
Elke, Rieke und Silke erzählen sich irgend einen Schwank aus ihrer Jugend. Vermutlich, wie sie Erich-August vor seinen Freunden blamiert hatten, damals, denn Erich-August schaut drein wie der Papst. Er wendet sich den Schwiegerbrüdern oder wie man das nennt zu. Es sind nur zwei, denn Elke ist geschieden. „Asiatische Frauen sind einfach die besten! Schaut meine Frau an, Kanne Kaffe UND das ganze Service! — meine fetten Schwestern wären zu dritt bereits verunfallt!“
Nutti und Mutti kommen vollbeladen aus der Küche. Opa hat sich an der Anlage zu schaffen gemacht. Schon läuft Udo Jürgens‘ „aber bitte mit Sahne“. Man ist immer wieder erstaunt wie gut Demente noch mit Schallplatten umgehen können.
Die Torte landet auf dem Tisch. Nutti richtet allen ihr Geschirr hin, den Kindern selbstredend an einem eigens für sie eingerichteten abseitigen Tisch an dem sich nur wenig Schaden anrichten lässt. Die Kinder warten gespannt. Ob es Cola gibt? Also die gute, mit Koffein!
Die drei Schwestern lassen die Kaffeekanne kreisen und kichern nebenher. Rieke hat dieses unangenehme Kreischen im Repertoire. Wäre man blind, man könnte meinen es läuft der discovery channel.
Als alle mit Kaffee versorgt sind, die Kinder mit Cola-light (weil Oma immer glaubt, das sei ‚die ohne‘ [und weil es sonst ein Riesen Theater geben würde nachdem die Kinder die Flasche schon erspäht hatten, würde man ihnen diese vorenthalten ]), haben Oma und Opa, sein Name ist übrigens Horst, bereits die halbe Torte verdrückt.
Haben Sie eigentlich schonmal bemerkt, wie geschickt sich Alte Leute beim dinieren anstellen? Beim Hauptgang im Restaurant sind sie trotz Seniorenteller bereits nach ein paar Happen voll, klar, die Vorspeise und all das — aber kaum geht es an den Süßkram, ist die Appetitlosigkeit Zügellosigkeit gewichen.
Die einzig zivilisierten Leute im lauschigen Haus der Großeltern, das sind die Kinder. Sie warten brav, bis sie an der Reihe sind. Außerdem, die Cola und das Überraschungsei, sie kennen das ja. Da wird getüftelt, Aufbauanleitungen studiert, sich gegenseitig unterstützt. Es wird geraunt, wenn jemand ein Figürchen hat. Der Neid lenkt sie dann noch zusätzlich ab.
Naturgemäß haben Eltern ja keine Ahnung von Pädagogik, das ist klar. Eine gewisse Bauernschläue ist ihnen aber stets zu attestieren. Und wenn es nur der professionelle Umgang mit dem Viehtrieb ist.
Die Onkels und Tanten, immerhin sieben Rachen, machen sich über die verbliebene Torte her.
‚… aber bitte mit Sahne!‘, stichelt Udo Jürgens süffisant aus der Anlage. Eigentlich ist es total dämlich, dass Udo Jürgens vor Voodoo Jürgens da war, und nicht umgekehrt. Das wäre besser gekommen, hätte die Welt verändert. Vor allem den kalten Krieg. Egal.
Das Geschirr klappert unüberhörbar. So unüberhörbar, dass, noch bevor die Kinder die Lunte riechen, Rocko der Rauhaardackel, immerhin auch schon ein Senior, sich aus seinem Hundekorb erhebt und schwanzwedelnd vor Omas Stuhl raisoniert.
Oma bemerkt ihn, Rocko kläfft freudig. Als junger Hüpfer wäre ihm das Gegacker der Nacktaffen am Tisch sicher unter den Pelz gegangen, aber nun hört er ja schlecht.
Ein kläffender Köter? Jetzt sind auch die Kinder auf Hab-acht! Immerhin, so ein alter Hund, den knuddelt man gern.
Die Kinder aber, sie werden bleich. Müssen Sie doch zusehen, wie der Kläffer, von den Erwachsenen mit ‚Ah!‘ und ‚Oooh!‘ und ‚Wie süß!‘ attributiert, vom Tortenblech, das Oma ihm so hinschob, dass er es von ihrem Schoße aus bequem erreichen konnte, die letzten Krümel und Sahnereste leckt.
…